TV-Tipp: "Ku’damm 56" (ZDF)

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TV-Tipp: "Ku’damm 56" (ZDF)
21.3., ZDF, 20.15 Uhr: "Ku’damm 56"
Jahrzehnte lang haben ARD und ZDF in oftmals großen zeitgeschichtlichen Werken die Diktatur im "Dritten Reich" und den Zweiten Weltkrieg aufgearbeitet. Die Zeit danach wurde seltsamerweise nur in Ausnahmefällen zum Filmstoff, obwohl sie nicht minder spannend ist: Die junge Republik wird flügge, steckt aber zwischen gestern und morgen fest.

Durch die Köpfe der Älteren wabert noch der ruchlose Geist des Nationalsozialismus, während die Herzen vieler Jüngerer von einer unwiderstehlichen Aufbruchstimmung erfüllt ist. Der gestern gestartete ZDF-Dreiteiler "Ku’damm 56" erzählt von drei jungen Berliner Frauen, die in diesem Zwiespalt stecken; und von ihrer alleinstehenden Mutter, deren erklärtes Lebensziel gemäß den Konventionen darin besteht, für ihre Mädchen möglichst gute Partien zu finden.

Allein die Besetzung der drei Töchter mit Sonja Gerhardt, Maria Ehrich und Emilia Schüle, eine schöner als die andere, ist eine Wucht. Gerade Gerhardt ist großartig und mitreißend. Sie spielt die Hauptrolle, aus Perspektive von Monika Schöllack wird die Geschichte geschildert: Sie ist nach einem anstößigen Regentanz wegen sittenwidrigen Verhaltens von der Hauswirtschaftsschule geflogen und kehrt nun in die Tanzschule ihrer Mutter am Kurfürstendamm zurück (der Filmtitel ist sowohl Hausnummer wie auch Jahreszahl). Dort führt Caterina (Claudia Michelsen), deren Mann seit dem Krieg als vermisst gilt, ein strenges Regiment. Während Helga (Ehrich), die älteste, dabei ist, einen angehenden Staatsanwalt zu ehelichen, und Krankenschwester Eva (Schüle), die jüngste, ein Auge auf ihren Chef (Heino Ferch) geworfen hat, sich später aber in einen schmucken Ostberliner (Steve Windolf) verliebt, ist die ungeschickte Monika aus Sicht ihrer Mutter zu nichts zu gebrauchen. Sonja Gerhardt ist eigentlich viel zu attraktiv für ein Mauerblümchen, vermittelt die Unsicherheit des Mädchens, das über keinerlei Selbstbewusstsein verfügt, aber gerade körpersprachlich sehr glaubwürdig. Monikas ohnehin freundloses Dasein wird endgültig zerschmettert, als sie von einem verwöhnten Fabrikantensohn (Sabin Tambrea) vergewaltigt wird. Das furchtbare Erlebnis treibt die lebensmüde junge Frau ins Wasser.

Autorin des Dreiteilers, der immer wieder durch verblüffend authentisch wirkende Bilder vom Berliner Straßenbild erfreut, ist Annette Hess. Die unter anderem mit dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete Schöpferin von "Weissensee" entwirft auch hier wieder eine Welt, deren Facetten durch die vielen Figuren repräsentiert werden. Auf diese Weise ist "Ku’damm 56" nicht nur Familiensaga und Sittengemälde, sondern auch eine große zeitgeschichtliche Erzählung, die dennoch viele Anknüpfungspunkte für ein heutiges Publikum bietet. Die selbstverständliche Unterwürfigkeit, mit der die durchaus starke Helga um das Wohl ihres den ehelichen "Pflichten" nicht gewachsenen homosexuellen Gatten bemüht ist, mag aus heutiger Sicht antiquiert anmuten, aber insgeheim wirft der Film durchaus die Frage auf, ob sich wirklich so viel geändert hat. Seine Faszination bezieht der Dreiteiler jedoch nicht zuletzt aus der Gegensätzlichkeit. Die gerade mal sieben Jahre junge Demokratie erlebt ihren ersten Häutungsprozess: Die Nachkriegsgeneration bewundert James Dean und ist infiziert vom Rock’n’Roll, sie begehrt gegen die Prüderie der Alten auf und will das Leben lieben; in diesen Jahren wird die Saat gesät, die 1968 explosiv erblüht. Die jungen Frauen aber führen einen doppelten Kampf: Menschen wie Monika sind einfach nicht geschaffen für das traditionelle Rollenverständnis.

Im Grunde könnte der Film auch "Unsere Mütter, unsere Väter" heißen (genau genommen nur "Unsere Mütter"). So hat Nico Hofmann (Jahrgang 1959) den 2013 ausgestrahlten vielfach ausgezeichneten Dreiteiler genannt, der die Geschichte der jungen Kriegsgeneration erzählt. Er widmet sich als Produzent nun schon seit 15 Jahren ("Der Tunnel", 2001) der Geschichte dieses Landes. Die Anzahl der entsprechenden Filme, die in ihrer Gesamtheit eine beinahe lückenlose Chronik der letzten 75 Jahre erben, geht in die Dutzende. Immer wieder gelingt es ihm, neue Ansätze zu finden; und vor allem kreative Köpfe, die seine Visionen umsetzen. Regisseur von "Ku’damm 56" ist Sven Bohse (zuletzt "Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel"), der mit dem Dreiteiler seine mit Abstand aufwändigste und auch wichtigste Arbeit geschaffen hat. Natürlich spielen die Schauwerte in solch einer Produktion eine große Rolle. Ausstattung (Lars Lange) und Kostümbild (Maria Schicker) haben großen Anteil an der Atmosphäre des Films, sind darüber hinaus aber auch mindestens einen zweiten Blick wert; einige Einstellungen (Bildgestaltung: Michael Schreitel) wirken wie Gemälde von Edward Hopper. Trotzdem sind es die Figuren, die dafür sorgen, dass die Geschichte ihr Publikum packt und nicht mehr loslässt; gerade die drei jungen Hauptdarstellerinnen hat Bohse ausgezeichnet geführt. Seine bisherige Filmografie enthält zwar sehenswerte Komödien wie "Hangover in Highheels" (2015, Sat.1) oder "Weihnachten für Einsteiger" (2014, ARD), doch ein Werk wie "Ku’damm 56" war nicht zu erwarten; aber Hofmann weiß natürlich, wem er eine solche Produktion anvertrauen kann. Teil drei folgt am 23. März.