7 Wochen Ohne, Woche 6: "Ich gönn dir das"

Ein Mann beobachtet durch ein Fernglas ein Kreuzfahrtschiff.
Foto: Paul Koncewicz
7 Wochen Ohne, Woche 6: "Ich gönn dir das"
Die Fastenzeit läuft - und damit auch die evangelische Fastenaktion "7 Wochen Ohne". Das Motto lautet dieses Jahr: "Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge". Damit das Herz weit werden kann, schlägt Pastor Frank Muchlinsky für jede Woche eine Übung vor, die zum jeweiligen Bibeltext passt.

(Lk 15, 25–32)

Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

Liebe Mitfastende,

herzliche Grüße in die sechste gemeinsame Woche! Ich hoffe, dass es Ihnen immer noch guttut, die Enge zu verlassen und sich der Weite zu stellen. Heute bekommen wir von 7 Wochen Ohne ein besonderes Festmahl serviert, inklusive Gesang, Tanz und exquisitem Festessen. Die Geschichte werden Sie vermutlich erkannt haben: Es ist das Ende des Gleichnisses vom Vater mit den beiden ungleichen Söhnen, bekannter noch unter der Überschrift "Der verlorene Sohn". Der ältere Bruder ist ausgesprochen zornig, weil er seinem Bruder nicht gönnt, was der Vater ihm schenkt. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, ist so stark in ihm, dass er nicht fähig ist, sich an der Rückkehr seines Bruders zu freuen. Sein Zorn richtet sich gegen den Vater: Ich habe immer alles gemacht, wie du es wolltest, und du hast mir nie einen Bock gegeben, und dieser Hurenbock von deinem Sohn hier kriegt das gemästete Kalb. Ungerecht!

Der Vater in dem Gleichnis bleibt ruhig und versucht, seinem Sohn klarzumachen, dass es überhaupt keinen Grund zum Neid gibt. Ob diese Worte zu ihm durchdringen, verrät die Bibel nicht. Jesus erzählt in seinem Gleichnis auch nicht, ob der ältere Bruder jemals um einen Bock zum Feiern gebeten hat. Aus der Reaktion des Vaters lässt sich eher schließen, dass der Sohn sich vielleicht mal wünschte, mit seinen Freunden zu feiern, aber anscheinend hat er nie darum gebeten. Erst als der jüngere Bruder wieder nach Hause kommt und ihm völlig unverdient ein großes Festmahl bereitet wird, kommt der ältere Bruder und beschwert sich. Der kleine Bruder hat wirklich alles falsch gemacht, was er nur konnte, aber an einem Punkt hat er seinem älteren Bruder etwas voraus: Er riskiert es, seinen Vater um etwas zu bitten und eine Ablehnung zu kassieren. Als er am Boden liegt, kehrt er nach Hause zurück und bittet den Vater, ihn als Tagelöhner einzustellen. Er muss damit rechnen, vom Hof gejagt zu werden, aber er hat gelernt, dass er um das, was er haben möchte, bitten muss.

Erster Schritt: Wissen, was man will

Daraus soll sich unsere Übung für diese Woche ergeben. Damit Sie gönnen können, brauchen Sie zunächst einmal eine Wunschliste. Machen Sie sich zunächst klar, was Ihnen fehlt, was Sie gern hätten. Sollten Sie nun spontan denken: "Ich bin wunschlos glücklich", dann gratulieren Sie sich kurz selbst und suchen Sie dann weiter. Wunschlos glücklich zu sein heißt meistens: "Ich mag mir nichts wünschen, weil es ja sein könnte, dass ich es nicht kriege. Ich bin lieber zufrieden mit dem, was ich habe." Aber machen wir uns nichts vor: Niemand ist wahrhaft wunschlos glücklich. Strengen Sie Ihre Fantasie an! Was könnte Sie noch glücklicher machen? Denken Sie ruhig an große Dinge. Wichtig ist, dass Sie sich reale Dinge ausdenken, die Sie tatsächlich bekommen könnten. Wie ein Kind, das zu Weihnachten eine Wunschliste schreibt. Scheuen Sie sich nicht, an materielle Werte zu denken. Niemand sieht es und wird Sie deshalb zur Rede stellen. Denken Sie also nicht an den Weltfrieden, sondern an ein Haus am See oder Ähnliches. Nehmen Sie sich ein normales Blatt Papier und schreiben Sie dann mindestens drei Dinge auf, die Sie gern hätten. Schreiben Sie sie mitten auf das Blatt und nicht an den Rand.

Zweiter Schritt: Wunscherfüllung in der Fantasie

Schauen Sie sich Ihre Wünsche in aller Ruhe an. Stellen Sie sich dann eines nach dem anderen ausführlich vor. Wie wäre es, wenn sich dieser Wunsch erfüllen würde? Wie würde das genau aussehen. Schwelgen Sie ein wenig in der Vorstellung, dass Sie das haben würden, was Sie sich wünschen. Schmücken Sie Ihre Vorstellung mit Details aus. Dies ist Ihre Chance, Ihren Wunsch in Ihrem Kopf wahr zu machen. Lassen Sie die schönen Gefühle zu, die die Erfüllung Ihres Wunsches auslöst. Wenn Sie genügend Zeit mit dem in der Fantasie erfüllten Wunsch verbracht haben, gehen Sie zum nächsten über und wiederholen Sie die Übung. Gönnen Sie sich die Vorstellung, tatsächlich zu bekommen, was Sie sich wünschen. Lächeln Sie ruhig.

Dritter Schritt: Die Realität einladen

Erst wenn Sie es geschafft haben, sich im zweiten Schritt etwas zu gönnen, beginnen Sie mit diesem Schritt. Sollte Ihr gesunder Menschenverstand Ihnen stets verboten haben, in "unsinnigen" Fantasien zu schwelgen, versuchen Sie es noch einmal. Glauben Sie mir, es lohnt sich. Wenn Sie Ihre Wunscherfüllung in der Fantasie jedoch genießen konnten, dann dürfen Sie sich nun gönnen, die Realität wieder anzuschauen und mit der Fantasie zu verweben. Zwei Fragen können Ihnen dabei helfen:

Geht es ein wenig kleiner?

Fragen Sie sich, ob es eine Erfüllung Ihres Wunsches gibt, die weniger spektakulär ist. Gibt es eine kleine Alternative zum großen Traum? Auch hier brauchen Sie wieder Kreativität und Vorstellungskraft. Schauen Sie einmal genau hin. Wie könnten Sie das Gefühl, das Sie eben bei der Wunscherfüllung in der Fantasie hatten, auf einem etwas anderen Weg erreichen?
Wenn Sie das herausgefunden haben, schreiben Sie es neben Ihren Originalwunsch. Gehen Sie dann wieder zum nächsten Begriff über, bis Ihre Wunschliste eine realistische Komponente bekommen hat.

Geht etwas ganz anderes?

Sie können jetzt Ihre Wünsche auch noch einer zweiten kritischen Begutachtung unterziehen. Geht einer der Wünsche auf Kosten anderer? Oder gibt es andere Gründe, die dagegen sprechen, dass dieser Wunsch sich erfüllt? Wenn das so ist, dann können Sie nach Alternativen suchen. Streichen Sie Ihre Wünsche nicht durch! Sie haben diese Wünsche ja immer noch. Suchen Sie aber nach Alternativen, die Sie in ähnlicher Weise zufrieden und glücklich machen könnten.

Vierter Schritt: Sag "bitte"!

Viele Wünsche, die wir haben, können wir uns nicht selbst erfüllen. Wir brauchen die Hilfe von anderen. Schauen Sie Ihre Liste an und überlegen Sie, wer Sie beim Erfüllen der einzelnen Wünsche unterstützen kann. Wen müssen Sie um Hilfe bitten, damit Sie bekommen, was Sie gern hätten? Schreiben Sie die entsprechenden Namen neben Ihre Wünsche. Es dürfen mehrere sein.

Schauen Sie Ihre Liste nun noch einmal an. Suchen Sie sich nun einen Wunsch aus, den Sie sich tatsächlich erfüllen möchten. Mittlerweile ist Ihre Auswahl sicherlich realistisch genug geworden, dass Sie anfangen können, jemanden um Unterstützung zu bitten. Nehmen Sie Kontakt mit der entsprechenden Person auf – oder mit den Personen, wenn es mehrere sind – und bitten Sie sie. Denken Sie dabei an die Geschichte von den Brüdern und dem Vater. Sie können nicht davon ausgehen, dass Sie bekommen, was Sie haben möchten, aber nur wer bittet, kann auch etwas bekommen. Wer seine Wünsche unterdrückt, wird es schwer haben, anderen zu gönnen, was die geschenkt bekommen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich etwas Schönes wünschen!

Ihr Frank Muchlinsky