Urlaub in Zeiten der Flucht

Sonnenuntergang am Strand von Tartus, Syrien 2008.
Foto: REUTERS/ Khaled Al Hariri
Sonnenuntergang am Strand von Tartus, Syrien 2008. "Vielleicht sind Irak und Syrien in 20-30 Jahren beliebte Reiseländer", sagt Jasmin Taylor, die in Berlin Reisen verkauft und Flüchtlingsfrauen hilft.
Urlaub in Zeiten der Flucht
Diskussion auf der Internationalen Tourismusbörse
Der so genannte "Destination Day 1" auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin widmete sich in diesem Jahr dem Thema Migration und Sicherheit. Bei der Veranstaltung sind die Kirchen seit Jahren vertreten, um ihre kritische Sicht auf die Reisebranche zu äußern.

"Europa war immer gemeinsam auf dem Weg. Manche haben die träge Staatengemeinschaft mit einer Schildkröte an Land verglichen, langsam, aber stets in eine Richtung gehend. Das Ziel waren offene Grenzen. Nun aber hat die Schildkröte Europa ihre Richtung geändert", bemängelt zu Beginn der Diskussion Dietmar Herz, Vorstandsvorsitzender des ökumenisch getragenen Studienkreises für Tourismus und Entwicklung.

Noch im 18. Jahrhundert herrschte in Europa im Grunde Reisefreiheit für die Menschen. Nur der Warenverkehr war mit Zöllen belastet und eingeschränkt. Erst mit dem Aufkommen der Nationalstaaten wurden Pässe eingeführt und Schlagbäume heruntergelassen. Das sollte mit dem Schengen-Abkommen rückgängig gemacht werden. Nun aber stehe Europa vor einer fatalen Politik der Abschottung, sagt Herz.

Kaum ein Bürger auf der Welt hat so viel Bewegungsfreiheit wie ein Deutscher mit seinem weinroten Reisepass. Aber immer mehr zahlungskräftige Kunden wollen nicht irgendwohin fahren, sondern einen ethisch korrekten Urlaub machen. Auch das ist vielleicht ein Effekt jahrzehntelanger Kritik und Aufklärungsarbeit kirchlicher Organisationen nicht nur auf der Tourismusbörse. Doch wo kann man in Zeiten von Krieg und großen Flüchtlingsbewegungen noch Urlaub machen?

Die Beteiligten auf der diesjährigen ITB nehmen eine andere Stimmung wahr als sonst. Jahrelang waren gerade Deutsche als Touristen in Ländern  unterwegs, in denen nun Flüchtlinge ausharren und zu uns kommen, zu nennen sind etwa Ägypten und die anderen Maghreb-Staaten, Griechenland oder die Türkei. "Wo also ist die Leichtigkeit und Unbeschwertheit hin, auch wenn man genügend Geld und den richtigen Reisepass hat", fragt Moderator Andreas Stopp, im Deutschlandfunk verantwortlicher Redakteur für das Reise-Wochenendjournal.

Strohhütte statt Hotel

Touristen sollten bei ihren Reisen offen sein für fremde Kulturen und Werte, sagt Pater Frido Pflüger, Direktor des Jesuiten Flüchtlingsdienstes in Deutschland. Als Lehrer war Pflüger seit 2003 mehrere Jahre für Flüchtlingsschulen in Uganda zuständig. Da hätte er sich mehr Interesse und Anteilnahme der Pauschalreisenden gewünscht. "Ich habe es oft als seltsam erlebt, in Entwicklungsländern mit Touristen in Kontakt zu kommen. Sie wissen nichts und wollen auch nichts wissen. Hauptsache es ist schön und das Bier ist kalt. Die hocken dann am Viktoria-See in eingezäunten Resorts auf europäisch-westlichem Niveau", erinnert sich Pflüger.

So würden viele Touristen im Grunde kaum etwas von dem Land mitbekommen und erleben, in das sie gereist sind. Er hingegen habe in Norduganda in einer Strohhütte gelebt. Besonders beeindruckt habe ihn der Versöhnungswille in den Dörfern und lokalen Stammesgemeinschaften. Ehemalige Kindersoldaten seien wieder aufgenommen worden, obwohl sie einst im Bürgerkrieg gemordet hatten, um so den Weg für einen neuen Frieden zu ebnen. Das könne man sich auch in Europa durchaus zum Vorbild nehmen, sagt der Jesuitenpater.

Vor allem müsse man in Deutschland und Europa eine Politik vorantreiben, die massive Flüchtlingsbewegungen verhindern hilft, meint Pflüger. Da habe sich das Instrument der Entwicklungshilfe in den letzten Jahrzehnten als unnütz erwiesen. Statt korrupte Strukturen und Regierungen in Entwicklungsländern zu stützen, solle man lieber gerechte Wirtschaftsstrukturen schaffen. Denn wer die Chance auf ein vernünftiges Auskommen hat, wird wohl kaum ohne Not die Heimat verlassen.

Irak und Syrien als Reiseländer?

Deutschland solle außerdem weiterhin seine vorbildliche Rolle als Aufnahmeland für Flüchtlinge spielen, mahnt Frido Pflüger. "Wir können nicht Integration fordern, sondern wir müssen es den Flüchtlingen auch anbieten. Verunsichernd ist, dass Menschen nach unseren Werten fragen und wir haben darüber noch nie nachgedacht oder darüber debattiert", gibt Pflüger zu bedenken.

Jasmin Taylor, geschäftsführende Gesellschafterin der von ihr gegründeten JT Touristik GmbH, tut etwas für Flüchtlinge. Als 17jährige ist sie selbst zusammen mit ihren Eltern aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Vor zwei Jahren gründete sie die SIS-Flüchtlingsinitiative (Strong Independent Sisters), um geflüchteten Frauen hier in Deutschland eine bessere Integration zu ermöglichen, durch Vermittlung von Sprachkursen oder Berufspraktika etwa. Für die erfolgreiche Unternehmerin ist dies auch eine Investition in die Zukunft ihrer Reisebranche. "Die Länder, aus denen vor Jahrzehnten die Gastarbeiter zu uns kamen, Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, sind längst zu beliebten Urlaubsländern der Deutschen geworden. Vielleicht ist es ja in 20-30 Jahren auch so, dass Irak und Syrien beliebte Reiseländer werden", prophezeit Taylor.