TV-Tipp des Tages: "Der Kommissar und das Meer: In einer sternlosen Nacht" (ZDF)

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TV-Tipp des Tages: "Der Kommissar und das Meer: In einer sternlosen Nacht" (ZDF)
23.1., ZDF, 20:15 Uhr: "Der Kommissar und das Meer: In einer sternlosen Nacht"
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in langlaufenden Reihen und Serien gerade bei den Nebenfiguren irgendwann die Akzente verschieben. In „Der Kommissar und das Meer“ zum Beispiel spielte die Familie der deutschstämmigen Titelfigur (Walter Sittler) zu Beginn eine ganz wesentliche Rolle.

Als Gattin Line nach Afrika auswanderte, rückte die neue Lebensgefährten Emma ins Zentrum, aber zuletzt spielte diese Erzählfarbe gar keine Rolle mehr. „In einer sternlosen Nacht“ ist der zwanzigste Film der Reihe. Regie führt zum vierten Mal hintereinander Miguel Alexandre, der den Krimis nicht nur einen neuen Look gegeben, sondern sich auch wieder stärker der Wurzeln besonnen hat. Deshalb bekommt nicht nur Inger Nilsson als Gerichtsmedizinerin endlich wieder mal mehr zu tun als bloß Todeszeitpunkte zu verkünden, auch Sven Gielnik wirkt nach einigen Jahren Pause wieder mit. Er war als Anders’ Sohn Niklas von Anfang an dabei, ist mittlerweile Anfang zwanzig und ein gestandener Schauspieler, weshalb er im Drehbuch von Annette Hess weitaus mehr als bloß den erwachsenen Sohn des Kommissar spielen kann: Auf der Fähre nach Gotland lernt Niklas Jenny (Felice Jankell) kennen. Die einst als kleines Kind adoptierte junge Frau will auf der schwedischen Insel ihre leibliche Mutter kennen lernen und löst damit offenbar eine Kettenreaktion aus: Kommunalpolitikerin Hannah Kroog (Lia Boysen) ist durch den überraschenden Besuch so durch den Wind, dass sie bei der nächtlichen Heimfahrt anscheinend ein kleines Mädchen überfährt.

„Weissensee“-Schöpferin Hess ist alles andere als eine typische Krimiautorin („Die Frau vom Checkpoint Charlie“). Im Mittelpunkt ihrer Geschichte steht dennoch die Frage, was sich in jener „sternlosen Nacht“ tatsächlich zugetragen hat: Die Politikerin, die sich in ihrem Wahlkampf ausgerechnet für das Wohl der Kinder stark macht, verzettelt sich zwar in Widersprüchen, wirkt aber auch glaubhaft; erst recht, als schließlich ihre eigene kleine Tochter entführt wird. Trotzdem ist der Film mindestens so sehr Drama wie Krimi, und das nicht nur, weil einige der Figuren eine Vergangenheit haben, die sie am liebsten für immer begraben würden. Natürlich spielt auch die Beziehung Hannah Kroogs zu ihrer Tochter eine große Rolle; ebenso wie die Beziehung von Anders zu Niklas, denn der junge Mann will sein Jurastudium abbrechen und seiner Mutter als Entwicklungshelfer nach Afrika folgen. Mit Argwohn beobachtet Anders, den Sittler unter Alexandre etwas kantiger als früher verkörpert, wie sich sein Sohn in Jenny verliebt; die junge Frau wirkt wie ein schwarzer Engel. Gerichtsmedizinerin Swensson wiederum war mit den Eltern des toten Mädchens befreundet und entdeckt am Leichnam des Kindes Verletzungen, die nicht vom Unfall stammen können.

Wie in seinen letzten Gotland-Filmen inszeniert Alexandre, der erneut auch die Bildgestaltung übernommen hat (diesmal unterstützt von Katharina Dießner), die Urlaubsinsel als sinistres Paradies; gerade die Nachtaufnahmen sind von teilweise düsterer Schönheit. Schauplätze wie etwa ein Strand mit faszinierend bizarren Felsformationen verleihen dem Krimi eine spezielle Atmosphäre, die durch die elektronische Musik (wie auch zuletzt: Wolfram de Marco) noch intensiviert wird. Ganz entscheidend bei einem derart emotionalen Stoff, in dem es letztlich um furchtbar traurige Kinderschicksale geht, ist naturgemäß die Führung der überwiegend einheimischen Darsteller, die so gut synchronisiert worden sind, dass kaum ein Unterschied zu den deutschen Darstellern auszumachen ist.