Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik gefordert

Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik gefordert
Ban Ki Moon ruft zum Sondergipfel nach New York: "Krise der Solidarität"
Das Mittelmeer bleibt eine Todesfalle für Migranten, mahnt der UN-Generalsekretär und drängt die internationale Gemeinschaft zum Handeln. Aber auch in Österreich herrscht Entsetzen. Die Behörden versuchen, 71 Tote aus einem Lkw zu identifizieren.

Die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer und in Österreich haben die internationale Diskussion über einen Kurswechsel in der Asylpolitik neu entfacht. Die Vereinten Nationen, Politiker und Flüchtlingshelfer forderten legale und sichere Zugangswege in die Europäische Union. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Regierungen zu einem internationalen Flüchtlingsgipfel am 30. September nach New York.

Auch der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, drängte zum Handeln und forderte einen europäischen Flüchtlingsgipfel. "Wir brauchen eine europäische Antwort auf die Flüchtlingsfrage", sagte er am Samstag im Deutschlandfunk. Die Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an einen gemeinsamen europäischen Flüchtlingsgipfel könne er nicht nachvollziehen.

Ban Ki Moon sagte in seinem am Freitag (Ortszeit) in New York verbreiteten Statement, trotz aller Rettungsaktionen der Europäischen Union "bleibt das Mittelmeer eine Todesfalle für Flüchtlinge und Migranten". Die hohe Flüchtlingszahlen seien Ausdruck tiefer liegende Probleme, wie Krieg, Gewalt und Unterdrückung. "Es ist eine Krise der Solidarität, nicht der Zahlen", mahnte Ban.

In Österreich waren in einem an der Autobahn 4 im Burgenland abgestellten Lastwagen 71 tote Flüchtlinge gefunden worden, die vermutlich erstickt waren. Darunter waren offenbar Syrer. Die Identifizierung gestaltet sich schwierig. In Ungarn wurden inzwischen vier als Schlepper verdächtigte Männer festgenommen und verhört. Ban Ki Moon forderte mit Nachdruck, skrupellosen Menschenschmugglern das Handwerk zu legen sowie legale und sichere Fluchtwege zu schaffen.

Nach UN-Angaben haben in diesem Jahr bereits mehr als 300.000 Migranten den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa gewagt. Davon kamen 200.000 in Griechenland an, 110.000 in Italien. Schätzungen zufolge starben bei der Überfahrt in diesem Jahr bereits 2.500 Menschen. Am Freitag wurde befürchtet, dass weitere 200 Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste ums Leben kamen.

Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen will die EU nach einem Medienbericht, die Rückführung abgelehnter Asylbewerber nach Afrika forcieren. Für afrikanische Herkunftsländer sollen neue Anreize geschaffen werden, Migranten ohne Anspruch auf Asyl zurückzunehmen, berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".  So wolle die EU-Kommission beim EU-Afrika-Gipfel im November auf Malta mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich für einen Treuhandfonds anbieten.

Aufnahmeeinrichtungen in Transitländern im Gespräch

Rote-Kreuz-Präsident Seiters forderte ein Notprogramm für die Länder an den EU-Außengrenzen. Außerdem gebe es weder eine Einigung zum Thema Drittstaaten noch über eine Quotenregelung zur Verteilung der Flüchtlinge. Es könne nicht sein, dass der große Zustrom von Flüchtlingen in erster Linie von Deutschland, Österreich und Schweden aufgefangen werde.

Der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, sprach sich für Aufnahmeeinrichtungen in Transitländern aus. Dies sei eine Möglichkeit, gegen Schlepper vorzugehen, sagte er. Wenn an den Außengrenzen der Schengen-Länder über die Aufnahme von Flüchtlingen entschieden würde, wäre ein legaler Weg nach Europa geschaffen. Das Bundesamt sei bereit, in diesem Fall Mitarbeiter dorthin zu entsenden. Dies würde auch die Bearbeitung von Asylverfahren entlasten, betonte Schmidt.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach glaubt nicht, dass humanitäre Visa eine Lösung sind. Diese Visa, die Menschen aus Konfliktregionen in EU-Botschaften stellen könnten, würden etwa die Frage aufwerfen, wo das Prüfverfahren und ein möglicher Rechtsstreit stattfinden solle, sagte Bosbach im WDR. Abgelehnte Flüchtlinge würden sich vermutlich dennoch in die Hände von Schleusern begeben, um nach Europa zu kommen.