TV-Tipp: "Ein weites Herz" (3sat)

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TV-Tipp: "Ein weites Herz" (3sat)
23.8., 3sat, 20.15 Uhr: "Ein weites Herz"
Isa Vermehren ist 2009 gestorben, und vermutlich wäre ihr die Huldigung, die dieses TV-Drama darstellt, eher unangenehm gewesen. Doch „Ein weites Herz“ ist alles andere als ein filmischer Appell zur Seligsprechung.

Das auf der gleichnamigen Biografie von Matthias Wegner basierende Drehbuch von Annette Hess (mit Franziska Gerstenberg, Bearbeitung: Regisseur Thomas Berger) erzählt die Geschichte der liberalen Berliner Protestantenfamilie Vermehren, deren Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime sich in Sarkasmus erschöpft; bis einer der Söhne nach England flieht und die Faschisten die gesamte Familie in Sippenhaft nehmen und ins Konzentrationslager Ravensbrück deportieren.

Im KZ hilft Isa der Glaube, zu überleben

Hauptfigur des zwei Stunden langen Films ist jedoch die Tochter Isa (Nadja Uhl), der die Spottverse, die sie 1937 zum Akkordeon auf der Abschlussfeier ihres Studiums vorträgt, teuer zu stehen kommen: Die Universität erkennt ihr Examen ab. Fortan gibt sie ihre Lieder in einem Nachtclub zum Besten. Ihr Leben ändert sich radikal, als sie sich mit ihrer zukünftigen Schwägerin anfreundet. Isa hält die katholische Gräfin Elisabeth von Plettenberg (Peri Baumeister) zunächst für eine Mitläuferin des Regimes, doch das Gegenteil ist der Fall: Ihre Eltern sind wegen ihres religiösen Engagements verhaftet worden und leben jetzt im Schweizer Exil. Elisabeth führt die Freundin buchstäblich zu Gott; im Konzentrationslager hilft der mittlerweile konvertierten Isa vor allem der Glaube, zu überleben. Dort trifft sie auf eine polnische Nonne, die sogar von den Aufseherinnen geschätzt wird. Danuta (Hedi Kriegeskotte) gehört zum Frauenorden Sacré-Cœur (Gesellschaft vom Heiligen Herzen Jesu) und pflanzt eine Saat in Isas Herz, die Jahre nach dem Krieg aufgehen wird.

Thomas Berger (zuletzt "Zeugin der Toten“), Schöpfer der Reihenfigur "Kommissarin Lucas“ und Regisseur des Wiedervereinigungsdramas"Wir sind das Volk“, vermeidet bei der Umsetzung dieser aufregenden Lebensgeschichte jede Verklärung. Isa wird von Nadja Uhl als patente junge Frau verkörpert, die sich nicht unterkriegen lässt. Der Film ist ohnehin alles andere als ein Missionierungsversuch. Natürlich wird nicht verhehlt, welche Bedeutung Isas Glaube hat; doch im Zentrum der Geschichte, der Titelzusatz "Schicksalsjahre einer deutschen Familie“ deutet es an, steht die Frage, wie die Vermehrens (Iris Berben als Mutter, Friedrich von Thun als Vater, sein Sohn Max sowie Alexander Khuon als Isas Brüder) die Kriegsjahre überleben.

Berger verzichtet auch auf die üblichen Zutaten, mit denen das Fernsehen Filme über die Zeit des Nationalsozialismus üblicherweise ausstattet. Die Aufnahmen sind nicht etwa grau und farblos, sondern strahlend sonnig, Kriegshandlungen finden außerhalb des Bildes statt. Die Szenen im KZ sind naturgemäß trotzdem ausgesprochen bedrückend. Umso berührender ist es, wenn Isa mit Hilfe Joseph von Eichendorffs allein kraft eines Liedes ein Menschenleben rettet.

Herausragend sind auch die Darsteller, was angesichts des hochkarätigen Ensembles nicht weiter verwundert. Um so bemerkenswerter ist die Leistung der vergleichsweise unerfahrenen Peri Baumeister, deren Filmdebüt ("Tabu") gerade mal zwei Jahre zurückliegt. Es gelingt ihr nicht nur, neben der prominenten Darstellerriege zu bestehen (weitere Mitwirkende: Hinnerk Schönemann als Isas Freund, Jürgen Tarrach als Nachtclubbesitzer und Thomas Thieme als Verhörspezialist der Gestapo). Die junge Schauspielerin versieht die Gräfin zudem mit einer charismatischen Kraft und einem innerem Strahlen, das perfekt zur Rolle dieser tiefgläubigen Frau passt.