Offener Brief: Hebammen fordern Perspektiven

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Offener Brief: Hebammen fordern Perspektiven
In zehn Monaten enden die Versicherungsverträge der freiberuflichen Hebammen. Wenn Hebammenverband und Versicherer sich bis dahin nicht einigen, darf ein Großteil der Geburtshelferinnen nicht weiterarbeiten. Der Frust bahnt sich jetzt einen Weg: Die Hebsmmen wenden sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung.
12.08.2015
epd, evangelisch.de
Philipp Beng

In einem offenen Brief fordern freiberufliche Hebammen eine politische Lösung des Streits um ihren Versicherungsschutz. "Sie sind verantwortlich, wenn ein ganzer Berufsstand ins Aus getrieben wird", wirft die Hebamme Theresa Gottselig in ihrem Schreiben der Bundesregierung vor. Sie fordert konkrete Perspektiven für aus ihrem Beruf gedrängte Hebammen und für Familien, die sich eine professionelle Betreuung vor, während und nach der Geburt wünschen. Zum 12. Juni 2016 endet der Versicherungsschutz freiberuflicher Hebammen. Ein neues Versicherungsangebot liegt nach Angaben des Deutschen Hebammenverbands nicht vor.

"Der Versicherungsbund will uns dann nicht mehr versichern", sagte Gottselig am Dienstag evangelisch.de. "Selbst wenn ich ohne Haftpflichtversicherung arbeiten wollte, dürfte ich das nicht." In Deutschland sind Hebammen gesetzlich dazu verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Hebammen, die nicht angestellt und somit durch ihren Arbeitgeber versichert sind, dürfen ihren Beruf nicht ausüben.

Bisher habe es von politischer Seite wenig Reaktion auf ihr Schreiben gegeben, berichtet Gottselig. Nur die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche habe ihr einen Gesprächstermin im Oktober versprochen. Der Brief schildert die umfangreichen Aufgaben der Hebammen. Sie übernähmen in einer Person beispielweise Funktionen wie die der Arzthelfer, der Frauenärzte, Sozialarbeiter und Seelsorger. "Sie werden keinen anderen 'Trottel' finden, der das für ein Hebammengehalt machen wird", warnt Gottselig, die selbst eine Hebammenpraxis im hessischen Hofheim leitet. Sie prognostiziert, Notaufnahmen würden "aus allen Nähten platzen", sollten keine Hebammen mehr zur Verfügung stehen.

Hintergrund des Streits ist die seit Jahren steigende Prämie der Haftpflichtversicherung für Hebammen. Seit dem 1. Juli kostet die Versicherung nach Angaben des Deutschen Hebammmenverbands 6.274 Euro im Jahr – 23 Prozent mehr als 2014. Für viele Hebammen sind diese Kosten existenzbedrohend. In Deutschland arbeiten nach Schätzungen knapp 15.000 Hebammen freiberuflich.

Im vergangenen Jahr beschloss der Gesetzgeber einen Sicherstellungszuschlag, um die Vergütung der Hebammen abzusichern. Dieser sollte auch ihre steigenden Versicherungskosten berücksichtigen. Kassen und Hebammenverband konnten sich bisher aber nicht einigen, wie sie den Zuschlag ausgestalten. Dieser liegt jetzt auf Eis. Damit haben viele Hebammen zwar steigende Versicherungskosten, aber nicht mehr Einkommen.