Charly Hübner: "Früher war das soziale Gefüge stärker"

Foto: dpa/Jens Büttner
Charly Hübner als Hausmeister Roger Müller in "Anderst schön".
Charly Hübner: "Früher war das soziale Gefüge stärker"
Fernsehstar Charly Hübner über seine ARD-Rolle als verliebter Hausmeister, seine Studentenjahre im Plattenbau, Materialismus in der Gesellschaft und was er beim "Polizeiruf 110" vermisst.

Als  bärbeißigen Kommissar Sascha Bukow aus dem Rostocker "Polizeiruf 110" kennen ihn die Krimifans. Doch Charly Hübner, die 1,92 Meter große Schauspielurgewalt, kann auch ganz anders: Im ARD-Drama "Anderst schön" (die falsche Schreibweise ist beabsichtigt) am 12.6. um 20.15 Uhr spielt der 42-Jährige den schüchternen Hausmeister namens Roger, der einen vor dem Abriss stehenden Plattenbau in Schwerin verwaltet. Als die alleinerziehende Ellen (Christina Große) nebenan einzieht, verliebt sich der gutherzige Roger blitzartig in die attraktive neue Nachbarin.

Herr Hübner, Sie spielen in Ihrem neuen Film den Hausmeister eines Plattenbaus, der noch bei Mutti wohnt und keine Frau abkriegt. Was hat Sie an diesem armen Würstchen interessiert?

Charly Hübner: Ich finde, dass es zu wenig Filme über Menschen gibt, die in der Selbstverwirklichungs- und Leistungsgesellschaft keinen Platz finden konnten oder wollten. Einer, der aussieht wie Roger und noch bei Mutti wohnt, würde nie auf dem Titelblatt einer Zeitschrift auftauchen. Höchstens hinten in der Zeitung als derjenige, der den größten Karpfen gefangen hat.

Haben Sie selber mal in einem Plattenbau gelebt?

Hübner: Ich habe direkt nach der Wende in Neustrelitz am dortigen Theater angefangen, und da gab es in alle vier Himmelsrichtungen diese Plattenbauten. Da habe ich fast zwei Jahre im Theaterwohnheim in einem solchen Gebäude gelebt. Stahlbeton, wohin man schaut. Wenn da morgens im ersten Stock einer aufsteht und ans Waschbecken geht, da kriegt man in der vierten Etage alles genau mit, und genauso, wenn jemand 300 Meter entfernt Posaune übt.

"Endlich wird hier mal ein Film gedreht"

War das eine gute oder eine schlechte Erfahrung für Sie?

Hübner: Für mich war das damals ein Mekka an Verrückten, im positiven Sinne. Da wohnten in meiner direkten Nachbarschaft eine Dramaturgin, ein Journalist oder ein Schauspieler, der am liebsten ganz laut Tom Waits hörte. Man kannte einander, hat sich getroffen und Wein getrunken. Für mich als Abiturienten war das total aufregend.

Der Film "Anderst schön" wurde ja nun in einem echten Plattenbau gedreht…

Hübner: Ja, im Plattenbaugebiet Großer Dreesch. Es war seltsam, denn vor 30, 40 Jahren war das ein großes Pionierprojekt in Schwerin. Plattenbau war in der DDR ja kein Sozialbau, das darf man nicht vergessen. Da gab es fließend warmes Wasser, man hatte eine perfekte Küche und einen Balkon, während die Altstädte überhaupt nicht gepflegt wurden. Da hatte man es in der Platte bequemer. Und jetzt verschwindet das wieder. Seltsam.

Haben sich die Bewohner darüber gefreut, dass der Film ihnen ein Denkmal setzt?

Hübner: Die haben gesagt: "Endlich wird mal hier ein Film gedreht, nicht immer nur so Schickimicki-Zeug aus Berlin!"

Früher war alles besser, sagt jemand in dem Film. Können Sie diese Haltung nachvollziehen?

Hübner: Man will diese Aussage immer an Ostdeutschland festmachen, aber diese Haltung begegnet Ihnen genauso in Hamburg oder in einem französischen Dorf. Früher war eben alles ein bisschen sortierter und schlichter, das soziale Gefüge war stärker. Der eine hatte vielleicht mehr als der andere, aber wichtiger war, dass man zusammenhält. Heute dominiert der Materialismus. Wenn du aber nicht die Kraft, die Gier oder den Ehrgeiz hast, das Rennen um den Kapitalgewinn mitzumachen, sondern dich auf die Zeit zurückbesinnen willst, wo dir geholfen wurde, wenn du mal einen schwachen Tag hattest, dann kannst du gar nicht anders als zu sagen: "Früher war es besser."

Und wie sehen Sie selber das?

Hübner: Für mich persönlich muss ich sagen: Früher war auch schon alles nicht so doof, aber es wurde im Lauf der Jahre immer schöner in meinem Leben.

Was bedeutet Ihnen selber Materielles?

Hübner: Es ist total angenehm, Sachen zu haben, die einem den Alltag erleichtern. Mit einer Vespa durch die Stadt zu fahren, ist zwar besser, als mit dem Auto im Stau zu stehen. Es scheint aber in uns Menschen drinzustecken, dass man gerne seinen Besitzstand mehrt. In diesem Sinne bin ich auch ein Materialist. 

"Uhren und Autos sind rein praktische Gegenstände für mich"

Wo werden Sie denn besonders schnell schwach?

Hübner: Ich bin ein Sammler was Bücher, Filme und Musik angeht. Andere Sachen wie Uhren und Autos sind rein praktische Gegenstände für mich.

Sie sind seit fast zwei Jahren festes Ensemblemitglied beim Hamburger Schauspielhaus. Reicht Ihnen das Fernsehen etwa nicht zum Glücklichsein?

Hübner: Natürlich habe ich Bock auf Krimi, aber beim "Polizeiruf 110" zum Beispiel ist man immer im Heute verhaftet und befasst sich in einer 90-Minuten-Struktur mit dem Fall. Bei einer Theaterarbeit kommt man viel stärker auf eine philosophische Ebene und zu Fragen, die jeden beschäftigen. Außerdem ist es beim Theater ein ganz anderes Arbeiten. Man wird von den Regisseuren viel intensiver zu dem befragt, was man tut. Das ist für mich wie ein Trainingslager fürs Fernsehen, so wie für die Bundesligavereine, wenn sie im Winter irgendwo in der Türkei neue Laufwege trainieren.

Also besteht nicht die Gefahr, dass Sie weniger Zeit für Filme und vor allem für den "Polizeiruf" haben?

Hübner: Nein, meine großartige Agentur versucht, meinen Kalender so zu bauen, dass alles möglich wird, worauf es Lust gibt: Fernsehen, Kino, Theater, Urlaub.