Mehr als 350 Abschiebungen verhindert

Zwei Flüchtlinge auf dem Gelände der evangelischen Stephansstift-Gemeinde in Hannover
epd-bild/Nancy Heusel
In Hessen sind bis Mitte Mai dieses Jahres in Gemeinden in der EKHN insgesamt 96 Erwachsene und neun Kinder aufgenommen worden.
Kirchenasyl in Hessen
Mehr als 350 Abschiebungen verhindert
Seit 2018 sind in Hessen zahlreiche geplante Abschiebungen durch Kirchenasyl verhindert worden. Alleine im laufenden Jahr waren es laut Innenministerium 30 Fälle. Offen ist, wie viele der betroffenen Personen tatsächlich noch immer in Hessen sind.

In Hessen sind vom Juni 2018 bis zum Ende vergangenen Jahres insgesamt 366 geplante Abschiebungen durch Kirchenasyl verhindert worden. Im laufenden Jahr waren es bis einschließlich April 30 Fälle, wie das hessische Innenministerium auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) in Wiesbaden mitteilt. Wie viele Personen, deren Abschiebung durch Kirchenasyl gescheitert ist, aktuell noch in Hessen sind, sei nicht bekannt. "Hierzu liegen keine statistischen Daten oder weitergehende Informationen vor", so das Innenministerium.

Die jeweils zuständigen Regierungspräsidien stornierten geplante Rückführungs- oder Überstellungsmaßnahmen, sobald Kirchen einen Eintritt ins Kirchenasyl gemeldet hätten, heißt es. Grund dafür ist, dass "Hessen aus Respekt vor der christlich-humanitären Tradition des Kirchenasyls und den kirchlichen Institutionen aufenthaltsbeendende Maßnahmen während der Dauer des Kirchenasyls - und somit in der Kirche angehörenden Räumlichkeiten oder sakralen Räumen - nicht durchführt".

Den Angaben zufolge sind im vergangenen Jahr in Hessen 82 Abschiebungen durch Kirchenasyl gescheitert. Mehr waren es seit Beginn der statistischen Erfassung im Juni 2018 nur im Jahr davor, 2023 scheiterten 105 Abschiebungen durch Kirchenasyl. Durch das Kirchenasyl würden häufig Überstellungsfristen gemäß der Dublin III-Verordnung von in der Regel sechs Monaten unterlaufen, heißt es weiter.

Dies habe zur Folge, dass nach Ablauf der Überstellungsfrist die "Bundesrepublik Deutschland ausländerrechtlich für den jeweiligen Einzelfall zuständig wird und eine Überstellung im Dublin-Verfahren endgültig nicht mehr möglich ist". Damit werde eine Entscheidung einer Bundesbehörde auf Grundlage einer europäischen Verordnung untergraben, so das Ministerium. Eine Rückführung sei dann nach Ablehnung des Asylantrags im nationalen Verfahren grundsätzlich nur in das jeweilige Herkunftsland möglich. 

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) teilt mit, dass im Jahr 2023 in ihren Gemeinden 155 Fällen von Kirchenasyl begonnen haben. "Es wurden insgesamt 169 Erwachsene und 32 Kinder aufgenommen", heißt es. Im vergangenen Jahr seien es 163 Fälle gewesen, durch die 174 Erwachsene und 25 Kinder aufgenommen wurden.

Bis Mitte Mai dieses Jahres seien in Gemeinden in der EKHN 91 Fälle von Kirchenasyl begonnen worden, es wurden insgesamt 96 Erwachsene und neun Kinder aufgenommen. "Soweit uns bekannt ist, sind alle Menschen, die im Kirchenasyl waren, weiterhin in Deutschland", so die EKHN. Die Landeskirche wies darauf hin, dass eine Abschiebung mehrere Personen betreffen könne.

637 Kirchenasyl-Fälle in zehn Jahren

"Die Gemeinden haben im Jahr 2024 in 163 Fällen Kirchenasyl gewährt. Laut Staatsminister waren nur in 82 dieser Fälle Abschiebungen geplant." Es sei allgemein nicht bekannt, in welchen Fällen die Behörden eine Abschiebung planen. Jedoch sei eine Abschiebung bei allen Menschen, die ins Kirchenasyl aufgenommen werden, möglich.

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) teilt mit, dass es in den Jahren 2014 bis 2024 insgesamt 637 Kirchenasyl-Fälle in ihren Gemeinden gegeben habe. "Uns ist derzeit kein Fall bekannt, in dem das Kirchenasyl nicht erfolgreich war", so die Landeskirche. "Wir gehen davon aus, dass alle Kirchenasyle insofern erfolgreich waren, als die Fälle in das nationale Asylverfahren übergegangen sind." Zum jeweiligen Ausgang der Asylverfahren lägen aber keine Zahlen vor.