Von Rostock bis München: Protestmärsche gegen "Pegida"

Protest gegen Pegida
Foto: dpa/Oliver Dietze
Teilnehmer des Bündnisses "bunt statt braun" demonstrieren in Saarbrücken vor der Ludwigskirche gegen Pegida und den saarländischen Ableger Saargida.
Von Rostock bis München: Protestmärsche gegen "Pegida"
Noch nie war der Widerstand so groß: Während in Dresden wieder Tausende "Pegida"-Anhänger auf die Straße gehen, formiert sich in ganz Deutschland eine mächtige Gegenbewegung.

###mehr-artikel###Zehntausende Menschen sind am Montagabend in ganz Deutschland auf die Straße gegangen, um für Weltoffenheit, ein friedliches Zusammenleben der Religionen und gegen das Anti-Islam-Bündnis Pegida zu demonstrieren.

Rund 30.000 Gegendemonstranten versammelten sich nach den Worten von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) in Leipzig. In München gingen etwa 20.000 Menschen auf die Straße, in Hannover 19.000, und in Berlin beteiligen sich etwa 4.000 Menschen an dem Protest. Während vielerorts nur einige hundert "Pegida"-Anhänger demonstrierten, blieb der Zulauf in Dresden indes weiterhin groß.

Überblick der Demonstrationen

Leipzig: In der sächsischen Metropole versammelten sich nach Angaben der Stadtverwaltung rund 30.000 Menschen, um gegen den ersten "Spaziergang" des "Pegida"-Ablegers "Legida" zu protestieren. Daran nahmen nach Polizeiangaben 4800 Menschen teil. Der Aufmarsch des islamfeindlichen Bündnisses wurde laut Polizei so massiv von Gegendemonstranten blockiert, dass er zunächst nicht starten konnte. Zu den insgesamt sieben angemeldeten Gegenkundgebungen am Montagabend in Leipzig hatten Kirchen, zivilgesellschaftliche Gruppen, linke Parteien, Studentenräte und Oberbürgermeister Jung aufgerufen. Nach einer Ansprache des französischen Generalkonsuls wurden die Opfer des Terroranschlags auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" mit einer Schweigeminute geehrt. In der durch die friedliche Revolution 1989 in der DDR berühmt gewordenen Nikolaikirche hatten zuvor ein Friedensgebet und eine Mahnwache stattgefunden. Nach heftiger Kritik hatte die Stadt Leipzig ein zuvor verhängtes Verbot des Zeigens von Mohammed-Karikaturen auf der "Pegida"-Demonstration wieder aufgehoben. Die Meinungsfreiheit sei ein sehr hohes Gut, und vor dem Hintergrund der Anschläge von Paris könne sie nicht hoch genug eingeordnet werden, erklärte Oberbürgermeister Jung. Deshalb sei das Verbot von Mohammed-Karrikaturen letztlich doch aufgehoben worden.

Dresden: Die größte Demonstration der islamfeindlichen Pegida-Bewegung fand wieder in der sächsischen Landeshauptstadt statt. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich etwa 25.000 Menschen an dem zwölften sogenannten Abendspaziergang, um gegen eine angebliche Überfremdung zu demonstrieren. Die Organisatoren sprachen von 40.000 Teilnehmern. Mehr als 7000 Menschen demonstrierten gegen "Pegida".

Berlin: In Berlin führte die Demonstration der "Pegida"-Kritiker vom Bundeskanzleramt am Brandenburger Tor vorbei zum Alexanderplatz. Unter den Teilnehmern waren auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (beide SPD). Integrationssenatorin Kolat rief dazu auf, für Freiheit, Toleranz und Frieden zusammenzustehen. Rund 4000 Menschen haben im Zentrum Berlins gegen "Pegida" demonstriert. Ihnen standen etwa 400 Anhänger des rechtspopulistischen Berliner "Pegida"-Ablegers "Bärgida" gegenüber. Ihr Demonstrationszug kehrte nach rund 500 Metern wegen einer drohenden Blockade wieder zum Ausgangsort am Brandenburger Tor zurück. Nach Auskunft der Polizei blieb es auf beiden Seiten friedlich.

München: Bei der Großveranstaltung "München ist bunt" trat am Montagabend unter anderem der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) als Redner auf. Er sagte, die Menschen seien in München auf die Straße gegangen, "weil wir das Feld nicht denen überlassen, die versuchen unsere Gesellschaft zu spalten" und jenen, die "für ihre menschenverachtende Ideologie eine ganze Religion als Geisel nehmen", sagte der SPD-Politiker. In der bayerischen Landeshauptstadt demonstrierten rund 20.000 Menschen für Weltoffenheit. Ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Antifa-Gruppen hatte den Aufruf unterstützt. Auch in anderen bayerischen Städten wie Würzburg und Nürnberg gingen zahlreiche Menschen auf die Straße. Zur Kundgebung des Münchner "Pegida"-Ablegers kamen laut Polizei rund 800 Menschen.

Hannover: In der niedersächsischen Landeshauptstadt folgten rund 19.000 Menschen einem Aufruf zu einer Demonstration gegen "Pegida". Der Aufzug des örtlichen "Pegida"-Bündnisses mit rund 150 Teilnehmern wurde nach nur einer Stunde beendet. Proteste linker Gruppen verhinderten, dass die Demonstranten die geplante Route nehmen konnten.

Zehntausende haben bei Kundgebungen ein überwältigendes Zeichen gegen "Pegida" gesetzt. Landesbischof Ralf Meister sagt: "Pegida" sei eine Lüge. Aus Hannover berichtet Christian Röther.

Saarbrücken: Etwa 9000 Menschen gingen aus Protest gegen "Pegida" auf die Straße, darunter das gesamte saarländische Kabinett. Anlass war der erste Aufruf von "Saargida", dem saarländischen "Pegida"-Ableger, an dessen Aufzug sich nach Polizeiangaben lediglich 200 bis 300 Menschen beteiligten. Zu Beginn der Gegendemonstration legten die Teilnehmer eine Schweigeminute für die Opfer der Terroranschläge von Paris ein.

Hamburg: In der Hansestadt demonstrierten laut Polizei rund 4000 Menschen gegen Terror, Rassismus und Ausgrenzung. Die Aktion stand unter dem Motto "Liberté, Égalité, Fraternité! Hamburg steht auf für Freiheit und Demokratie!". Teilnehmer waren unter anderen Integrationsstaatsministerin Aydan Özoguz und Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD).

Düsseldorf: In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt demonstrierten etwa 5000 Menschen gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Im Zentrum der Stadt hatten sich am Abend drei Demonstrationen gegen eine Versammlung der islamkritischen "Dügida" gebildet. Dazu kamen laut Polizei etwa 350 Teilnehmer. Während der Kundgebung gingen an zahlreichen öffentlichen Gebäuden die Lichter aus.

Rostock: In Rostock beteiligten sich laut Veranstaltern etwa 2000 Menschen an Protestaktionen gegen "Pegida". In der Marienkirche kamen Schätzungen zufolge knapp 1000 Menschen zu einer interreligiösen Begegnung zusammen. Der Pastor der Innenstadtgemeinde, Tilman Jeremias, wies darauf hin, dass die geplante Rogida-Demonstration abgesagt worden war, nachdem die Stadt am vergangenen Montag mit der Demonstration "Willkommen im Abendland! Rostock für alle" ein klares Zeichen gesetzt habe.

Schwerin/Stralsund: In Schwerin demonstrierten auf dem Alten Garten vor dem Schloss etwa 1000 Menschen für ein friedliches Miteinander. Zuvor hatten Kirchen der Landeshauptstadt zu Andachten und Friedensgebeten geöffnet. Ähnlich war es in Stralsund, wo rund 450 Menschen gegen Ausgrenzung und für Toleranz auf die Straße gingen.

Rheinland-Pfalz: In Mainz gingen rund 1500 Menschen auf die Straße. In Landau nahmen etwa 1000 Menschen an einer Kundgebung teil. Zu der Veranstaltung hatten der Stadtrat sowie christliche und muslimische Gemeinden aufgerufen. In Speyer versammelten sich demnach etwa 250 Menschen zu einer Mahnwache. In Trier beteiligten sich rund hundert Menschen an einer Kundgebung für Demokratie und Pressefreiheit.

###mehr-links###Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warb für einen verstärkten Dialog zwischen den Religionen. Man wolle in Deutschland ein friedliches Zusammenleben von Muslimen und Menschen, die anderen Religionen angehörten, sagte sie am Montag nach einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu in Berlin. Merkel betonte: "Der Islam gehört zu Deutschland. Das ist so. Dieser Meinung bin ich auch." Sie verwies damit auf den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der 2010 mit seinem Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, eine erregte Debatte losgetreten hatte.

Publizist Grosser warnt vor Ausweitung islamfeindlicher Demonstrationen

Der Publizist Alfred Grosser sagte, es müsse klar gesagt werden, dass es einen Unterschied zwischen Muslimen und Islamisten gib. Mit Blick auf Dresden, sagte er, die Stadt sei seit Jahren ein Nährboden für den Rechtsextremismus. Der 89-Jährige warnte zugleich davor, dass sich die Bewegung ausweitet. "Was ich befürchte, ist eine Verbindung zwischen der Alternative für Deutschland (AfD) und 'Pegida'", sagte er: "Jeder glaubt, der andere macht ihn größer."

Grosser begrüßte zugleich die Asylpolitik Deutschlands. In Deutschland gebe es nicht nur "Pegida", sondern - anders als in Frankreich - "eine wunderbare Aufnahmepolitik für syrische Flüchtlinge". Auch Frankreich müsse bereit sein, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, forderte er. Frankreich überlasse Italien "die ganze Politik um Lampedusa", kritisierte er.