EKD-Chef Schneider: Muslime müssen Legitimation von Gewalt hinterfragen

EKD-Chef Schneider: Muslime müssen Legitimation von Gewalt hinterfragen
Der scheidende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, fordert die Islamverbände auf, religiöse Begründungen für Gewalt stärker zu hinterfragen.

"Was von den Verbänden an Auseinandersetzung mit Ansatzpunkten für die Legitimierung von Gewalt im Koran und in der islamischen Tradition bisher kommt, ist mir zu wenig", sagte Schneider, der nach vier Jahren im Amt Anfang nächster Woche als oberster Repräsentant der deutschen Protestanten ausscheidet. Erol Pürlü, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime, reagierte gelassen auf die Äußerung.

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Schneider sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstagsausgabe), erst einmal gehe er davon aus, dass sich die Verbände vorbehaltlos für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen einsetzen und nichts mit dem Terror des "Islamischen Staates" (IS) zu tun haben: "Wir müssen aber nüchtern feststellen, dass sich der IS auf den Islam beruft. Darüber haben wir zu debattieren."

Muslimen-Sprecher Pürlü erklärte am Donnerstag in Köln, er könne in Schneiders Äußerungen weder scharfe Kritik noch Enttäuschung über die Islamverbände erkennen. Bei einem Spitzentreffen der muslimischen Verbände mit den Repräsentanten der evangelischen Kirche sei ausgiebig über das Thema Gewalt diskutiert und die Instrumentalisierung der Religion verurteilt worden.

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Schneider sagte, es wäre falsch, die Islamverbände für den IS haftbar zu machen: "Wir müssen ihnen dankbar sein, dass sie sich davon klar distanzieren. Wir müssen aber fordern, dass, zumal an unseren Universitäten, bei der Ausbildung von Imamen und Religionslehrern die Rolle der Gewalt in der islamischen Tradition sowie die Unklarheiten im Verhältnis von Staat und Religion kritisch angesprochen werden."

Der EKD-Ratsvorsitzende räumte ein, dass auch die evangelische Kirche selbstkritisch sein muss. "Wir sitzen nicht auf dem moralisch hohen Ross", sagte der Theologe. Das Christentum habe vor Kaiser Konstantin zunächst 300 Jahre der Verfolgung erlebt, "ehe es in Machtpositionen kam, in denen Christen und ihre Kirchen selbst zu grausamen Verfolgern wurden." "Im Islam hingegen hing seine rasche Verbreitung 'mit Feuer und Schwert' von Anfang an mit Kriegen zusammen", sagte Schneider. Das habe offensichtlich Ansatzpunkte im Koran, der "wie ja auch die Bibel von Begründungen von Gewalt nicht frei ist".