Gericht: Abschiebungen nach Italien künftig schwieriger

Gericht: Abschiebungen nach Italien künftig schwieriger
Künftig wird es höhere Hürden geben, wenn etwa Flüchtlingsfamilien mit Kindern nach Italien abgeschoben werden sollen. Geklagt hatte eine Familie aus Afghanistan, die durch EU-Regeln zerrissen zu werden drohte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Hürden für Abschiebungen nach Italien erhöht. Die Straßburger Richter urteilten am Dienstag, dass asylsuchende Menschen mit minderjährigen Kindern nur nach einer sorgfältigen Prüfung in das Mittelmeerland gebracht werden dürfen. Das Abschiebeland muss sich dem Urteil zufolge von Italien eine Garantie geben lassen, dass die Kinder in der Asylunterkunft besonders geschützt werden und dass die Familie nicht auseinandergerissen wird.

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Derzeit reisen viele der Flüchtlinge, die per Boot die italienischen Küsten erreichen, in andere EU-Staaten weiter - etwa, weil sie dort Verwandte haben. Laut "Dublin"-Verordnung der EU ist ihnen das jedoch nicht erlaubt, weil grundsätzlich das Ersteinreiseland für das Asylverfahren zuständig ist. Die wichtigen nördlichen Zielländer, auch Deutschland, nehmen daher immer wieder Abschiebungen nach Italien vor.

Der Menschenrechtsgerichtshof gab nun einer afghanischen Flüchtlingsfamilie mit sechs Kindern zwischen zwei und 15 Jahren teilweise recht. Die Familie war über die Türkei nach Italien und später in die Schweiz gelangt, die sich dem "Dublin"-System angeschlossen hat. Die Schweizer Behörden ordneten die Abschiebung an, wogegen die Flüchtlinge protestierten.

Sie verwiesen auf Missstände im italienischen Asylwesen, etwa überfüllte Unterkünfte, lange Bearbeitungszeiten und fehlende Sozialhilfe für anerkannte Flüchtlinge. Solche Sorgen seien durchaus begründet, erklärten die Straßburger Richter. Die Schweizer Behörden müssten daher "individuelle Garantien" von Italien zum Schutz der Kinder anfordern.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte das Urteil, nannte es jedoch nicht weitreichend genug. "Seit Jahren ist klar, dass Flüchtlinge in Italien oft obdachlos und ohne staatliche Hilfe sich selbst überlassen werden", unterstrich die rechtspolitische Referentin Marei Pelzer. "Wir fordern einen generellen Abschiebestopp nach Italien." Die Flüchtlingsfamilie erhält nach dem Urteil 7.000 Euro für ihre Gerichtskosten. Ob sie in der Schweiz bleiben darf, ist allerdings fraglich.