Im Epizentrum von Ebola

Foto: dpa/Sam Taylor/Ärzte ohne Grenzen
Krankenschwester Lucie Perardel von Ärzte ohne Grenzen prüft ihre Schutzbrille. Nur im "Astronautenanzüge" darf sie sich den Kranken nähern.
Im Epizentrum von Ebola
Jeder Fehler kann tödlich sein: Im "Astronautenanzug" treten Ärzte ans Krankenbett, denn jeder Körperkontakt mit Ebola-Patienten muss vermieden werden. Der Berliner Arzt Maximilian Gertler arbeitete in Westafrika, der Tod war jeden Tag präsent.

Was ihn in Westafrika am meisten deprimierte, war die langsame Reaktion der lokalen Behörden. "Der Kampf gegen Ebola ist natürlich aufwendig", sagt der Berliner Arzt Maximilian Gertler. "Aber er ist auch kein Hexenwerk. Man könnte viel mehr tun." Gertler war für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" drei Wochen lang in Guinea im Einsatz, vor wenigen Tagen kam er nach Deutschland zurück.

###mehr-artikel### Die internationale Organisation behandelt den Großteil der Ebola-Patienten in den drei Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone, die von der Epidemie heimgesucht werden. Mittlerweile haben sich mehr als 1.600 Menschen infiziert, mindestens 887 davon sind bis 1. August gestorben, wie die Weltgesundheitsorganisation am Montagabend mitteilte. In wenigen Tagen waren 163 neue Erkrankungen und 61 Tote hinzugekommen.

Gertler arbeitete in dem Behandlungszentrum in Guéckédou in Guinea. Dort wurde im März der erste Ebola-Fall erfasst, vermutlich gab es schon deutlich früher die ersten Erkrankungen. Angst vor einer Infektion habe er vor der Ausreise nach Guinea nicht gehabt, sagt der der 39-Jährige, der am Robert-Koch-Institut arbeitet und ehrenamtlich in Westafrika half: "Man kann sich ja wirksam vor Ansteckung schützen, man muss aber tatsächlich den ganzen Tag aufpassen." Dann sei die Gefahr durchaus beherrschbar.

Traurige Angehörige

Im Umgang mit den Infizierten trägt das gesamte medizinische Personal die geschlossenen "Astronautenanzüge", die jeglichen Körperkontakt mit den Kranken verhindern. So hilfreich sie sind, fällt die Arbeit damit schwer. "Da drinnen ist es wahnsinnig heiß", sagt Gertler. "Nach einer Stunde ist man völlig erschöpft und durchgeschwitzt." Die Helfer müssen eine Pause einlegen, schon um keine Fehler zu machen. Denn jeder Fehler kann tödlich sein.

###mehr-links### Todesangst und Sterben waren in seinen drei Wochen in Westafrika immer präsent. Den Angehörigen fiel es nicht leicht, einen Kranken im Behandlungszentrum zurückzulassen: "Sie wissen ja, dass der Mensch wahrscheinlich sterben wird." Eine Therapie gegen Ebola gibt es nicht. Die Überlebenschance ist aber höher, wenn die Kranken möglichst früh zur Behandlung kommen. Oft brauchen sie zugleich Mittel gegen Malaria. Auch gesunde Ernährung, ausreichend Flüssigkeit und psychosoziale Unterstützung können ihnen helfen.

In Guéckédou, dem Epizentrum der gegenwärtigen Epidemie, hat sich die Lage inzwischen etwas beruhigt. Der Schwerpunkt hat sich nach Liberia und Sierra Leone verlagert. Gertler sah sich die Lage im nächsten Behandlungszentrum auf liberianischem Boden einmal an. "Das war erschütternd", erinnert er sich. Und das nicht nur wegen der vielen Toten. Sondern auch, weil viel zu wenig getan werde.

"Lokale Gesundheitsbehörden sind überfordert"

Nach jedem Todesfall müssten die Behörden alle Kontakte zurückverfolgen, die der Gestorbene in den vergangenen drei Wochen hatte, so lange ist die Inkubationszeit. Dafür sind geländegängige Fahrzeuge und Benzin nötig. "Die lokalen Gesundheitsbehörden sind damit völlig überfordert", sagt der Epidemiologe deprimiert. Wenn diese wichtige Maßnahme unterbleibt, wird sich die Krankheit weiter ausbreiten. Sie ist jetzt schon außer Kontrolle, "die größte Ebola-Epidemie, die wir je erlebt haben".

"Wir sind an unseren Grenzen", unterstreicht Gertler. "Ärzte ohne Grenzen" hat rund 550 Helfer gegen Ebola im Einsatz, davon 80 Ausländer. Die USA wollen nun 50 Experten schicken, die Weltgesundheitsorganisation will 100 Millionen US-Dollar bereitstellen und einen Notfallplan erarbeiten, für den mindestens 600 Fachkräfte nötig seien. Von der Weltbank kommen weitere 200 Millionen US-Dollar. Gertler nimmt diese Zusagen mit einer gewissen Erleichterung auf. "Solche Signale gehen in die richtige Richtung", sagt der Mediziner, "aber es muss auch dringend vor Ort etwas umgesetzt werden".