Sexueller Missbrauch seltener - "Kein Grund zur Entwarnung"

Sexueller Missbrauch seltener - "Kein Grund zur Entwarnung"
In der Öffentlichkeit herrscht ein anderer Eindruck vor - doch sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen ist in den vergangenen 19 Jahren zurückgegangen. Kinder und Jugendliche seien stärker und selbstbewusster, sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer. Es gebe allerdings keinen Grund zur Entwarnung.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist in Deutschland seit 1992 stark zurückgegangen. Der Kriminologe Christian Pfeiffer nannte bei der Vorstellung einer neuen Studie ein stärkeres Selbstbewusstsein der Mädchen und Jungen sowie eine sensibilisierte Öffentlichkeit als Ursachen für den Rückgang. Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen stellte am Dienstag in Berlin die Studie vor, für die im Auftrag des Bundesbildungsministeriums 11.500 Personen zwischen 16 und 40 Jahren befragt wurden.

Die Ergebnisse seien ermutigend, böten jedoch keinen Anlass, sich selbstzufrieden zurückzulehnen, warnte Pfeiffer. Jedes Opfer sei eines zu viel. Er wies darauf hin, dass in der Öffentlichkeit, vor allem in den Medien eine "Hinwendung zu den Opfern" stattgefunden habe. Es sei zudem leichter geworden, über Sexualität zu sprechen. "Die Scham ist vorbei", sagte Pfeiffer.

Lehrer weitaus öfter Täter als Priester

Während 1992 noch 8,6 Prozent der Frauen und 2,8 Prozent der Männer angaben, bis zum 16. Lebensjahr eine Missbrauchserfahrung mit Körperkontakt mit dem Täter gemacht zu haben, sanken diese Anteile bei der aktuellen Befragung in diesem Jahr auf 6,4 und 1,3 Prozent.

Unter den 31- bis 40-Jährigen hatten acht Prozent eine Missbrauchserfahrung hinter sich, bei den 21- bis 30-Jährigen waren es 6,4 Prozent und bei den 16- bis 20-Jährigen 2,4 Prozent. Die jüngste Gruppe der Befragten zeigte in schweren Fällen den Missbrauch am häufigsten an (40 Prozent).

Der sexuelle Missbrauch durch Priester oder Ordensleute spielte offenbar eine völlig untergeordnete Rolle. Nur eine Person habe angegeben, von einem katholischen Priester durch Körperkontakt sexuell missbraucht worden zu sein, berichtete Pfeiffer. 8,6 Prozent der Opfer nannten Lehrer als Täter.

Doch ganz überwiegend findet Missbrauch in der Familie und im Bekanntenkreis statt. 48,3 Prozent der Frauen gaben an, von männlichen Bekannten missbraucht worden zu sein. 41 Prozent der Frauen nannten Väter, Stiefväter und Onkel. Bei den männlichen Opfern nannten 28 Prozent einen Bekannten als Täter, 42 Prozent einen männlichen Familienangehörigen.

Ausländer erstmals mit erhoben

Erstmals wurden auch die größten Migrantengruppen in Deutschland befragt. Während sieben Prozent der deutschen Mädchen Opfer wurden, waren es nur 1,7 Prozent der türkischen Mädchen. Das liege daran, dass junge Türkinnen "viel behüteter aufwachsen", sagte Pfeiffer. Bei ihnen finde kaum Missbrauch außerhalb der Familie statt.

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Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, die Ergebnisse könnten dabei helfen zu beurteilen, welche Strukturen Missbrauch begünstigten und wie Kinder besser geschützt werden könnten. Durch die Einrichtung von Juniorprofessuren und durch Forschungsprojekte solle das Thema in der Wissenschaft etabliert werden. Das Ministerium fördert Forschungsprojekte zu Missbrauch und sexualisierter Gewalt mit insgesamt 30 Millionen Euro. Das geht auf einen Beschluss des Runden Tisches der Bundesregierung zu sexuellem Missbrauch zurück. Die vorgestellte Studie soll bis 2013 mit allen Ergebnissen ausgewertet werden.

epd