Pfarrer: Syriens Christen stehen hinter Assad

Pfarrer: Syriens Christen stehen hinter Assad
Während die wichtigsten westlichen Staaten, darunter auch Deutschland, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad wegen der Gewalt gegen sein eigenes Volk zum Rücktritt auffordern, steht die evangelische Kirche weiter hinter dem umstrittenen Machthaber. Dieser biete der christlichen Minderheit im Land Schutz, sagte der zuständige Pfarrer Jonas Weiß-Lange am Donnerstag in einem Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.

Assad und seine Familie gehörten selbst der alawitischen Minderheit an, so dass er schaue, welche anderen Minderheiten er mit einbinden könne, erklärte der Geistliche. Das habe er bei seinen Reisen von leitenden Geistlichen in Syrien immer wieder gehört. Weiß-Lange ist seit 2009 Pfarrer der deutschsprachigen Auslandsgemeinden im Libanon und in Syrien. Er betreut Gemeinden in Beirut, Damaskus und in der nordsyrischen Stadt Aleppo.

"Offiziell ist das ein säkulares Land", sagte Weiß-Lange in dem Radiogespräch. "Aber von der Geschichte her, die orientalische Christen in muslimischen Ländern haben, muss es immer jemand sein, der sie beschützt in diesem Land - das Staatsoberhaupt, und das ist in dem Sinne eben in Syrien heute der Präsident." Deshalb sei trotz aller Kritik der Wunsch da, dass sich daran nicht soviel ändern möge. Die Sorge vieler Christen sei, dass Syrien ins Chaos stürzen könnte und sie dann zu den Verlierern gehörten.

Vergleich mit Irak und Libanon

Während seiner Gespräche hätten syrische Christen deutlich gemacht, dass sie aus Gründen der eigenen Sicherheit hinter dem Regime von Präsident al-Assad stünden, so der Pfarrer weiter. "Der Wunsch ist schlicht zu überleben", sagte er. Bei aller Kritik am Regime gebe es den Wunsch, dass sich nicht so viel ändern möge. Viele Gläubigen sorgten sich, dass in Syrien Zustände wie im Irak nach dem Sturz von Ex-Staatschef Saddam Hussein oder wie im Libanon während des Bürgerkriegs herrschen könnten.

Zur Ernennung des griechisch-orthodoxen Christen Daoud Rajha zum neuen Verteidigungsminister in Syrien sagte der Pfarrer: "Das ist insofern nichts Außergewöhnliches, als es ja Christen in hohen Positionen immer wieder gab." Weiß-Lange sagte weiter, es werde in der Gemeinde, aber auch in Cafes in Syrien heute viel mehr über Politik diskutiert und es sei möglich, politisch ins Gespräch zu kommen. "Das war vor zwei Jahren nicht der Fall."

Vor einigen Wochen hatte sich auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verhalten positiv über die Situation der Christen im Assad-Regime geäußert. Die Christen seien ein gut integrierter Teil der Gesellschaft, so der Nahost-Referent im EKD-Kirchenamt, Jens Nieper, in einem Interview mit evangelisch.de. Assad habe "eine Politik gefahren, die Minderheiten auch mit einbezogen und bevorzugt hat". Die Christen hätten von dem Regime auch profitiert. In der syrischen Gesellschaft herrsche "seit Jahrzehnten ein Religionsfriede", so der Oberkirchenrat. Er kritisierte zugleich das Fehlen einer unabhängigen Medienberichterstattung aus dem Land.

Westliche Länder fordern Rücktritt

International gerät al-Assad unterdessen wegen des brutalen Vorgehens gegen die syrische Opposition immer stärker unter Druck. Die USA forderten ihn am Donnerstag gemeinsam mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien erstmals zum Rücktritt auf. US-Präsident Barack Obama erklärte in Washington: "Um des Wohles des syrischen Volkes willen ist die Zeit für den Rücktritt von Präsident Assad gekommen." Zugleich wurde eine gemeinsame Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Premierminister David Cameron veröffentlicht.

Darin heißt es, Assad habe durch brutale militärische Gewalt gegen sein eigenes Volk "jede Legitimität verloren". Die "blutige Unterdrückung friedlicher und mutiger Demonstranten und die massiven Verletzungen der Menschenrechte, die Präsident Assad und seine Behörden seit Monaten begehen", wird "auf das Schärfste" verurteilt. "Wir rufen ihn auf, sich der Realität der vollständigen Ablehnung seines Regimes durch das syrische Volk zu stellen und im Interesse Syriens und der Einheit seines Volkes den Weg frei zu machen". Alle vier Länder hatten sich bereits für eine Resolution des UN-Sicherheitsrats eingesetzt, um Assads Vorgehen zu verurteilen. Dies scheiterte bislang jedoch am Widerstand der Vetomächte China und Russland.

Die syrische Regierung hat sich hat sich offenbar schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Das fand eine UN-Kommission heraus, die mehrere Wochen Augenzeugen und Überläufer außerhalb Syriens befragt hatte. Seit Beginn der blutigen Unruhen in dem Land im März ist die syrische Regierung nach Schätzungen der Kommission für den Tod von mindestens 1.900 Menschen verantwortlich. Damit könnte sie Kriegsverbrechen begangen haben, wie aus einem am Donnerstag in Genf veröffentlichten Bericht hervorgeht. Der UN-Menschenrechtsrat kündigte eine Sondersitzung zur Lage in Syrien am kommenden Montag in Genf an.

Das Interview mit Pfarrer Weiß-Lange zum Nachlesen finden Sie hier.

epd/dpa