Fronleichnam: Ökumenisch prozessieren - geht das?

Fronleichnam: Ökumenisch prozessieren - geht das?
Fronleichnam – für Unkundige mutet bereits der Name dieses kirchlichen Feiertages seltsam an, der nur in Bundesländern oder Landkreisen mit hohem katholischen Bevölkerungsanteil gesetzlicher Feiertag ist. Der Wortbestandteil "Leichnam" mag an Trauerumzüge erinnern, doch sind die Prozessionen, die an diesem Feiertag in katholischen Gemeinden stattfinden, an diesem Tag fröhlich und festlich.

Feierlich geschmückt wird die Monstranz – die Protestanten würden sagen, das Abendmahlsgeschirr, in dem die Hostie aufbewahrt sind - durch den Ort getragen. So wird allen deutlich gezeigt, was die Kirche besitzt: Ihr gehört der Leib Christi. Was für evangelische Christen merkwürdig anmutet, stellt für Katholiken eine Kernaussage ihres Glaubens bildlich dar. Auf einer offiziellen katholischen Website heißt es daher, „Fronleichnam ist das vielleicht katholischste Feste im Jahreskreis.“

Abendmahlsverständnis entscheidend

Der theologische Grund, warum Katholiken Fronleichnam feiern und Protestanten (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen) eben nicht, liegt im unterschiedlichen Abendmahlsverständis der beiden Konfessionen. Nach katholischer Lehre verwandelt sich die Substanz des Brotes und des Weines in Leib und Blut Christi – so erstmals festgestellt im vierten Laterankonzil im Jahre 1215. Dies hat das Konzil von Trient (1545 und 1563) bestätigt und so gleichzeitig das protestantische Abendmahlsverständnis als Irrlehre verworfen. Daher trug das Fronleichnamfest lange Zeit auch eine Spitze gegen die Protestanten und führte zu Reibereien. In gemischt-konfessionellen Gebieten brachten evangelische Bauern früher am Rande der Fronleichnamsprozession Mist auf ihre Felder, um so gegen den Festtag zu protestieren.

Eingeführt wurde Fronleichnam 1246 aufgrund einer Vision der Nonne Juliana von Lüttich. Der Überlieferung nach habe sie beim Beten den Mond gesehen, der an einer Stelle verdunkelt gewesen sei. Christus selbst habe ihr erklärt, dass der Mond die Kirche darstelle und der dunkle Mondfleck sei das Fehlen dieses Festes im Kirchenjahr. Bischof Robert von Lüttich führte daher auf Julianes Anregung das Fest 1246 in seinem Bistum ein, Papst Johannes XXII. sorgte 1317 dafür, dass das Fest in der ganzen abendländischen Kirche begangen wird.

Katholisches Hochfest

Das Fronleichnamsfest ist ein Hochfest der katholischen Kirche, offiziell heißt es Hochfest des Leibes und Blutes Christi. An diesem Festtage gedenken Katholiken der leiblichen Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie. Außerhalb des deutschen Sprachraumes ist Fronleichnam oft unter der lateinischen Bezeichnung „Corpus Christi“ (Leib Christi) bekannt. Auch die deutsche Bezeichnung bedeutet „des Herren Leib“, denn es leitet sich vom mittelhochdeutschen „vrône lîcham“ ab, vrôn ist das Eigenschaftswort für „Herr“ und lîcham bedeutet „Leib“. Gefeiert wird es 60 Tage nach Ostern bzw. neun Wochen nach Gründonnerstag, daher fällt es immer auf den Donnerstag nach dem Trinitatis-Sonntag. In Ländern, in denen Fronleichnam kein gesetzlicher Feiertag ist, kann es auch am darauffolgenden Sonntag gefeiert werden.

Während beim Gründonnerstag das Abendmahl als Abschiedsmahl verstanden wird und daher das Leiden und der Tod Jesu den Charakter des Festes bestimmen, steht beim Fronleichnamfest der Triumph und die Freude über die Gegenwart Christi im Vordergrund. Im Fronleichnamsfest feiert die Kirche, dass ihr im Sakrament die leibliche Gegenwart Christi geschenkt ist und macht dies mit der Prozession öffentlich sichtbar.

Martin Luther gehen Fronleichnam

Wie stehen Protestanten zum Fronleichnamsfest? Dürfen und können sie mitfeiern? Martin Luther hat anfangs selbstverständlich Fronleichnam gefeiert. Von ihm sind verschiedene Predigten zu diesem Festtag überliefert. Mit Luthers theologischer Entwicklung ändert sich auch seine Einstellung zu Fronleichnam. Grundlage für die Ablehnung ist das reformatorische Abendmahlsverständnis. Jesus hat das Abendmahl mit Brot und Wein als Sakrament zum Gebrauch der Gläubigen im Gottesdienst eingesetzt. Der Sinn des Sakramentes besteht deshalb nicht darin, dies als ein Stück Brot außerhalb des Gottesdienstes herumzuzeigen, oder in Luthers eigener Sprache: „Denn Sacramentum et verbum (Sakrament und Wort) sollten bei einander sein. So weiß man, dass dieses Sacrament instituiert ist zur Nießung (Gebrauch), und nit, damit außerhalb der Nießung und des Worts ein besondern Gottesdienst mit dem Stuck des Sacraments anzurichten.“

An anderer Stelle sagt Luther es noch deutlicher, dass das gepredigte Wort ins Ohr gehöre und das Sakrament in den Mund. Abendmahl soll man im Gottesdienst feiern, denn dort ist bei und während der Mahlfeier Jesus Christus leiblich gegenwärtig. Diese leibliche Gegenwart Christi erstreckt sich aber nicht auf das Brot und den Wein außerhalb des Gottesdienstes. Die Wandlung der Substanz von Brot und Wein - die Grundlage des katholischen Dogmas - lehnt er ab.

Mit diesem Abendmahlsverständis entzieht Martin Luther dem Fronleichnamsfest den theologischen Grund, denn für ihn ist in den in der Monstranz aufbewahrten Hostien eben nicht Christus gegenwärtig. Die Prozessionen erübrigen sich, weil der Leib Christi so nicht zur Schau gestellt werden kann.

Die Augsburger Konfession, die grundlegende lutherische Bekenntnisschrift von 1530, lehnt die Fronleichnamsprozession auch aus einem anderen Grunde in Artikel 22 ab. Das Abendmahl müsse in Brot und Wein gereicht werden, daher könne es nicht angehen, dass nur die Hostie bei der Prozession gezeigt werde.

Fronleichnam als ökumenische Feier?

Lässt sich - so wie sich die beiden Kirchen in puncto Fronleichnam in der Vregangenheit beharkt haben – in der Gegenwart ein ökumenischer Zugang finden? Vor dieser Frage standen auch die Organisatoren des evangelischen Kirchentages in Köln, der 2007 über Fronleichnam stattfand. Sollte die katholische Fronleichnamsprozession quer durch die von Protestanten in Beschlag genommene Domstadt gehen und ein ökumenisches Verkehrschaos auslösen?

Weil die Frage des unterschiedlichen Abendmahlsverständnisses theologisch nicht gelöst ist, kam keine gemeinsame Prozession in Frage. Ökumene lebt und gedeiht im persönlichen Miteinander und der Gastfreundschaft, daher fanden die beiden Konfessionen folgende Lösung. Im gemeinsamen Interview zum Kirchentag betonte Kardinal Meisner: „Fronleichnam ist kein Tag für Diskussionen, Fronleichnam ist ein Tag der Anbetung.“ Und der rheinische Präses Nikolaus Schneider ergänzte: „Wir haben es gelernt, einander zu respektieren. So wird eine Station der Fronleichnamsprozession auch auf einer der Bühne des Kirchentages auf dem Roncalliplatz sein. Das geht ganz entspannt zu. Ich möchte den Ton von Kardinal Meisner gerne aufnehmen und verstärken: Wir demonstrieren hier ökumenische Gelassenheit und ökumenischen Alltag.“

Also: keine ökumenische Prozession, aber eine Demonstration für die Ökumene. 


Ralf Peter Reimann war Pastor bei evangelisch.de