Tote und Verletzte bei Sturm auf Israels Grenzen

Tote und Verletzte bei Sturm auf Israels Grenzen
Die Palästinenser nennen den Tag der Gründung Israels "Nakba", Katastrophe. Vor 63 Jahren am 15. Mai 1948 entstand der neue Staat Israel, Hunderttausende Araber flohen oder wurden vertrieben. Oft blieb es am 15. Mai ruhig. Doch in diesem Jahr war alles anders. Beim Sturm auf Israels Grenzen am sogenannten Nakba-Tag sind zahlreiche Palästinenser getötet oder verletzt worden.

Erstmals seit Jahrzehnten durchbrachen am Sonntag Tausende Zivilisten von Syrien aus die streng bewachte Grenze zu den von Israel besetzten Golanhöhen, wie die israelische Armee mitteilte. Im südlichen Libanon wurden fünf Palästinenser von israelischen Soldaten getötet und 30 weitere verletzt. Auch im Gazastreifen gab es unter Demonstranten Dutzende Verletzte. An Militärsperren im Westjordanland und in Ost-Jerusalem kam es zu heftigen Krawallen.

Die neue Welle der Gewalt begann am Morgen, als ein arabischer Lastwagenfahrer in Tel Aviv einen Israeli tötete und 17 weitere verletzte. Die Polizei ermittelte, ob der 22-Jährige sein Fahrzeug in einem Wohnviertel im Süden der Stadt gezielt auf Passanten und Autos lenkte. Über Online-Netzwerke hatten Palästinenser für den 15. Mai zu einem neuen Aufstand gegen Israel aufgerufen.

Grenzen zu den Golan-Höhen erstmals seit 1973 überrannt

Erstmals seit dem Nahostkrieg von 1973 kam es dann am frühen Nachmittag zu einer massiven Verletzung der hochgesicherten Grenze zu den von Israel besetzten Golanhöhen. Tausende Palästinenser stürmten die Grenze und Dutzenden von ihnen gelang es sogar, bis in die nahe gelegene drusische Ortschaft Madschd al-Schams vorzudringen. Bei dem Sturm auf die Grenze wurden nach unterschiedlichen Angaben bis zu vier Menschen getötet. Mehrere Dutzend Palästinenser wurden nach Angaben der Armee bei den Auseinandersetzungen verletzt und in israelischen Krankenhäusern behandelt.

Auch im südlichen Libanon überrannte eine Menge von Palästinensern Absperrungen der libanesischen Armee und warf Steine gegen israelische Soldaten. Die Israelis feuerten Tränengasgranaten und scharfe Munition auf die Demonstranten ab. Drei Demonstranten wurden getötet und fünf weitere verletzt, berichteten Augenzeugen am Sonntag. Die Organisatoren brachen daraufhin die Kundgebung ab.

Tausende Palästinenser aus libanesischen Flüchtlingslagern waren an die israelische Grenze bei Marun al-Ras im Südlibanon gekommen. Sie forderten ein Ende der Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel und das Rückkehrrecht für geflohene und vertriebene Palästinenser und ihre Nachfahren.

Verletzte bei Kämpfen im Gaza-Streifen

Im Gazastreifen durchbrachen palästinensische Demonstranten am Sonntag Absperrungen der dort herrschenden Hamas und drangen bis zu dem israelischen Eres-Kontrollpunkt vor. Bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten wurden nach Angaben von Sanitätern knapp 70 Menschen verletzt. Die meisten von ihnen hätten Schusswunden erlitten, hieß es. Etwa 15 seien von Granatsplittern getroffen worden.

Auch an einigen Militärsperren im Westjordanland und in Ost-Jerusalem kam es zu Krawallen. Am Kalandia-Grenzübergang bei Ramallah warfen palästinensische Demonstranten Steine auf Soldaten, diese setzten Tränengas gegen die Menge ein. An Ägyptens Grenze zum Gazastreifen blieb es am Sonntag hingegen ruhig. Die Behörden hatten bereits im Vorfeld Kundgebungen am Grenzübergang Rafah oder dessen Überquerung untersagt.

Die zentrale Gedenkveranstaltung der Palästinenserbehörde von Präsident Mahmud Abbas zum Nakba-Tag begann am Mittag in Ramallah. Tausende Menschen marschierten von dem Präsidentenamt zum zentralen Manara-Platz. Teilnehmer der Kundgebung trugen palästinensische und schwarze Flaggen. "Es gibt keine Alternative zur Rückkehr in die Heimat", hieß es in Schriftzügen. Einige Demonstranten trugen einen großen hölzernen Schlüssel als Symbol für den Wunsch nach Rückkehr in die verlorenen Häuser.

Hamas wird Israel nicht anerkennen

Ismail Hanija, Führer der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen, drückte seine Hoffnung auf ein "Ende des zionistischen Projekts in Palästina" aus. Hanija bekräftigte während einer Ansprache, seine Organisation werde den Staat Israel weiterhin nicht anerkennen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte während der wöchentlichen Kabinettssitzung: "Ich bedaure, dass es unter den israelischen Arabern und unseren Nachbarn Radikale gibt, die den israelischen Unabhängigkeitstag in einen Tag der Kriegshetze und des Zorns verwandeln."

Israels Armee hatte das Westjordanland aus Furcht vor Anschlägen radikaler Palästinenser in der Nacht zum Sonntag abgeriegelt. Israel und die Palästinenserführung hatten bereits am Freitag die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft, um Ausschreitungen zu verhindern. Bei Krawallen nach dem reitagsgebet in Jerusalem hatte ein 16-jähriger Palästinenser eine Schussverletzung erlitten, an der er am Samstag im Krankenhaus starb. Am Sonntag waren landesweit etwa 10.000 Polizisten im Sondereinsatz.

dpa