Computer und Handys verbessern das Befinden

Computer und Handys verbessern das Befinden
Die Versprechungen sind groß: Zahlreiche Computer- und Handy-Anwendungen werben damit, die Stimmung und die Gesundheit ihrer Besitzer zu verbessern. Einige Anbieter meinen gar, bei seelischen Tiefs oder Depressionen helfen zu können - durch Selbstbeobachtung und den Austausch mit Vertrauten über Laune und Befinden.
03.05.2011
Von Marcus Kirzynowski

Schon seit Jahren arbeiten zahlreiche Unternehmen an der Entwicklung von Telemedizin-Programmen und -Geräten, die via Internet oder Mobilfunk arbeiten. Mit ihrer Hilfe können Patienten aus der Ferne bei sich zu Hause medizinisch überwacht werden.

Datentransfer von zu Hause direkt in die Arztpraxis

Mit der Plattform Motiva von Philips etwa übertragen chronisch Kranke Werte wie Puls, Blutdruck oder Gewicht per Internet an ihren Arzt. Das erledigt eine Box, die an den heimischen Fernseher angeschlossen ist. Dass Fachpersonal täglich den Gesundheitszustand überwacht, vermittelt den Patienten Sicherheit. Daneben sollen motivierende Mitteilungen des Computerprogramms helfen, sich mehr zu bewegen oder gesünder zu ernähren.

Doch den großen Durchbruch am Markt haben solche Systeme noch nicht geschafft. Das liegt vor allem daran, dass die Krankenkassen die Kosten in der Regel nicht übernehmen. "Die Kassen fordern verlässliche Beweise für den Nutzen der Systeme", sagt Annette Halstrick von Philips Healthcare. Ein Pilotprojekt mit rund 1.000 Patienten in Berlin und Brandenburg soll derzeit diesen Nachweis liefern.

"Grundsätzlich stehen wir der Telemedizin offen gegenüber", meint allerdings Michaela Gottfried vom Verband der Ersatzkassen. "Sie könnte helfen, medizinische Versorgungsprobleme in strukturschwachen Regionen zu beheben."

Grinsende Comicfigur checkt das Befinden

Auf Motivierung der Patienten setzt auch myVitali, eine Webseite aus Neuwied in der Schweiz. "Vitali, der persönliche Online-Vital-Coach" ist eine Figur, die wie ein Blutstropfen mit Gesicht aussieht. Sie sendet eine Erinnerung, wenn es Zeit für eine Messung ist und übersetzt deren Auswertung in eine verständliche Sprache: Bei positiven Ergebnissen lächelt "Vitali", bei negativen guckt er besorgt. Eine Kurve auf der Startseite zeigt, wie sich der Gesundheitszustand entwickelt hat. Bei besorgniserregenden Werten, so ist geplant, soll myVitali künftig auch automatisch einen Arzt verständigen.

Die Grenzen zwischen medizinischer Hilfe und Lifestyleprodukt sind allerdings fließend. Dass Selbstbeobachtung vor allem eine Lebenseinstellung ist, zeigt die Webseite "The Quantified Self" (etwa "Das gemessene, in Zahlen ausgedrückte Selbst"). Um das Blog hat sich eine Gemeinschaft von Menschen gebildet, die mit Hunderten Internet- und Handyprogrammen ihre Gesundheit, ihre Stimmungen oder ihren Energieverbrauch überwachen, etwa mit Hilfe von mobil vernetzten Sensoren oder Minicomputern zum Messen von Körpertemperatur.

Nicht nur im Netz, auch bei Treffen von weltweit 21 Gruppen versammeln sich die Anhänger der Selbstkontrolle. Unter den Anwendungen finden sich harmlose Spielereien, aber auch Programme mit hochtrabenden Versprechungen.

Online-Tagebuch für gute Laune

So behaupten die britischen Erfinder von Moodscope.com, ihre Webseite könne Stimmungen nicht nur messen, sondern auch verbessern. Bei Moodscope handelt es sich um eine Art Online-Tagebuch mit Einträgen über den eigenen Gemütszustand, die dann an Vertraute weitergeleitet werden.

Geschäftsführer Jon Cousins habe dies sogar aus Selbstmordgedanken herausgeholfen, sagte er dem SZ-Magazin. Allein die Tatsache, dass man seinen Seelenzustand beobachte und andere darüber informiere, helfe, die Stimmung zu verbessern. Das funktioniere nach demselben Effekt, den die Weight Watchers zum Abnehmen einsetzten: Motivation durch soziale Kontrolle.

"Wenn ein Nutzer weiß, dass Freunde ständig über seine schlechte Stimmung informiert werden, kann das auch Schuld- und Schamgefühle verstärken", meint hingegen Christiane Eichenberg vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Uni Köln. Bestimmten Menschen, etwa Hypochondern, könnten solche Programme eher schaden. Für sie wäre es sinnvoller, von der Fixierung auf den eigenen Zustand abzulenken. "Und bei klinischen Depressionen reicht virtuelle Hilfe sowieso nicht".

epd