Sie gelten als "zeitlose Zeit", die Nächte vom 25. Dezember bis zum 6. Januar. Um diese Rauhnächte ranken sich zahlreiche Sagen und Bräuche. "Seit einigen Jahren wird die alte Tradition von immer mehr Menschen wiederentdeckt", beobachtet Pastorin Claudia Süssenbach aus Neustadt (Kreis Ostholstein), die von einem Hype spricht. Nach dem oft stressigen Weihnachtstrubel würden sich Menschen nach alten Geschichten und einer Auszeit sehnen.
Woher kommen die Rauhnächte? Während der Sonnenkalender 365 Tage hat, gibt es im Mondkalender nur 354 Tage - 12 Nächte fehlen. "Früher glaubten die Menschen, dass in dieser Zeit die Geister ihr Unwesen treiben", sagt die 54-Jährige. Manche erklären den Namen "Rauh" mit diesen wilden Geistern und auch den Brauch, an Silvester lautes und leuchtendes Feuerwerk zu zünden. Denn die Silvesternacht ist die Mitte der Rauhnächte. Licht und Böllern sollen Geister vertreiben.
Süssenbach erklärt den Namen mit dem Brauch des Räucherns. "Früher haben Menschen mit räuchernden Kräuterdüften versucht, dunkle Kräfte von Haus, Hof und Feld zu verscheuchen." Heute denken die meisten Menschen bei Rauhnächten weniger an Dämonen. "Es geht darum, sich Zeit für sich zu nehmen, innezuhalten, über Vergangenes und die Zukunft nachzudenken", sagt Süssenbach, die seit zehn Jahren dazu Veranstaltungen anbietet.
Kraft schöpfen
Die Natur ist im Winterschlaf, schöpft Kraft für das neue Jahr. "Auch wir Menschen spüren intuitiv, dass uns eine Pause guttut, um Energie für das neue Jahr zu sammeln", sagt Süssenbach. Wie diese Zeit gestaltet wird, hänge von persönlichen Vorlieben ab. "Es gibt keine festen Regeln." In Büchern, Workshops und Online finden sich zahlreiche Anleitungen und Impulse. Die Nordkirche bietet den "Wegbegleiter Rauhnächte" an, der vier Etappen mit biblischen Figuren geht.
Anleitungen aus dem Internet schlagen etwa ein Thema für jede Nacht vor. Von Aufbruch und Klarheit über Reinigung, Prioritäten bis zu Zukunft. Den Anfang machen dabei meist Rückblicke und Methoden zum Loslassen der "Altlasten" aus dem vergangenen Jahr. Den Abschluss bilden Dankbarkeit und Offenheit für das kommende Jahr.
Für die erste Rauhnacht wird etwa ein Meersalzbad empfohlen. Wer seine "Altlasten" aufschreibt und den Zettel verbrennt, geht gereinigt in die nächsten Nächte. "Ich kann mir in einer Rauhnacht auch vornehmen, Freunden zu sagen, wie wichtig sie für mich sind und was sie besonders macht", sagt Süssenbach. Um Ordnung und Struktur zu schaffen, könne auch ganz praktisch der Kalender für 2026 vorbereitet und das Jahr geplant werden.
13 Wünsche
"Auch das Ritual der Wünsche ist weit verbreitet", weiß die Pastorin. Zu Beginn der Rauhnächte werden 13 Wünsche auf kleine Zettel geschrieben - positiv und gegenwärtig formuliert, als wäre es schon so. In jeder Nacht werde ein Wunsch ungelesen verbrannt, sodass am Ende einer übrig bleibt. "Bei diesem Wunsch liegt es nun in unseren Händen, dass er in Erfüllung geht", erklärt Süssenbach.
Häufig sind die Rituale der Rauhnächte mit Düften verbunden - sei es als Duftlicht, Badezusatz oder Räucherstäbchen. Zimt etwa fördere Veränderung, Sandelholz dufte nach Geborgenheit und Verbundenheit, während Rosenduft die Verbindung zum Herzen und zur inneren Stimme stärken soll. "Gerüche regen unsere Gedanken an und rufen Erinnerungen hervor", sagt Süssenbach, die selbst Zitrusdüfte am liebsten mag.
Für sie persönlich geht es in diesen Tagen vor allem um Stille und Geschichten. Zwischen den Jahren bietet sie dazu in der Neustädter Hospitalkirche am Hafen vier Abende an. Zu einem "Spirituellen Weg durch die Rauhnächte" laden auch Pastorin Carolin Luck und Pastor Johannes Luck aus dem Kirchenkreis Uelzen ein. Auf @himmlisch.hygge bei Instagram finden sich spirituelle Impulse, kurze Gedanken und Ideen für Rituale.
Damit diese besondere Zeit zu einer Quelle von Kraft und Orientierung für das neue Jahr wird, hat auch Süssenbach jeden Abend ein Ritual. "Ich brauche nicht viel", sagt sie schmunzelnd. Sie kocht sich einen Tee, macht eine Kerze an, liest eine Geschichte oder schreibt Tagebuch. "Ich nehme mir Zeit für Nichts, für das einfach Dasein." Zeit, in der lauten, grellen Welt auch mal Stille und Dunkelheit auszuhalten.


