Proteste gegen Ungarns geplante Verfassung

Proteste gegen Ungarns geplante Verfassung
"Alleinherrschaft": Tausende Ungarn haben am Wochenende gegen die Verfassungsreform demonstriert, die das Parlament an diesem Montag beschließen soll.

Tausende Ungarn haben am Wochenende gegen die Verfassungsreform demonstriert, die das Parlament an diesem Montag beschließen soll. Der frühere sozialistische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany (2004-2009) warf dem Regierungschef Viktor Orban Streben nach "Alleinherrschaft" vor.

Schutz vor "schweren politischen Verbrechen"

Bei drei Kundgebungen in Budapest kritisierten Tausende Menschen aus unterschiedlichen politischen Kreisen, die neue Verfassung sei ohne Mitwirkung der Bürger ausschließlich von Orbans rechtsnationaler Partei Fidesz gestaltet und auf deren Interessen zugeschnitten worden. Orban ließ zu den Protesten erklären, Ungarns Parlament beschließe am Montag "ein Grundgesetz, auf das alle Ungarn stolz sein können". Die neue Verfassung biete Schutz vor "schweren politischen Verbrechen", die "die Regierungen der Gyurcsany-Ära begangen haben".

Die Verfassungsreform muss vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gebilligt werden, über die die Fidesz verfügt. Sie soll am 1. Januar 2012 in Kraft treten.

Mit der neuen Verfassung isoliere Fidesz das Land "in Europa und in der Welt", sagte Gyurcsany am Samstag bei einer Kundgebung seiner Organisation Ungarische Demokratische Charta. Fidesz und Orban hätten die Republik verraten, die Pressefreiheit "mit Füßen getreten" und schüchterten jetzt die Justiz ein.

Verfassungsreform ohne Referendum

Am Vorabend hatten schon Tausende auf Initiative einer Bewegung demonstriert, die sich über das Internet-Netzwerk Facebook gegen das neue Mediengesetz formiert hat und parteipolitisch unabhängig sein will. Die Demonstranten kritisierten, dass es kein Referendum über die Verfassungsreform geben soll. Die neue Verfassung diene nur dem "Machthunger" der Regierenden. Das "Nationale Glaubensbekenntnis", das die Verfassung als Präambel einleitet, erinnere in Stil und Inhalt an die faschistische Ideologie der 1930er Jahre.

"Auch Orban wird sein Schicksal ereilen", sagte am Sonntag auf einer Kundgebung der grün-liberalen Parlamentspartei LMP deren Fraktionsvorsitzender Andras Schiff. Der Fidesz-Regierung stehe ein baldiges Ende bevor. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Klage vor dem Verfassungsgericht dem Entwurf zufolge nicht mehr allen Ungarn offen stehen wird.

Bei der LMP-Demonstration mehrerer tausend Menschen waren auch Transparente mit Anspielungen auf die "Osterverfassung" und das "Pfingstkönigreich" zu sehen. Die Verfassung wird am Ostermontag von Staatschef Pal Schmitt unterschrieben. Das "Pfingstkönigreich" meint im ungarischen Sprachgebrauch eine Herrschaft von sehr kurzer Dauer; die Anspielung bezog sich auf Orbans angebliches Streben nach Alleinherrschaft.

dpa