Blastozysten, Trophoblasten: Worum es bei PID geht

Blastozysten, Trophoblasten: Worum es bei PID geht
Die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) steht seit Monaten in der Diskussion. Am Donnerstag debattiert der Bundestag in erster Lesung, ob und in welchen Grenzen Gentests an Embryonen erlaubt werden sollen. Die Abstimmung ist für Juni vorgesehen. Es gibt keinen Fraktionszwang, der Ausgang gilt als offen. Unter PID wird die genetische Untersuchung eines Embryos vor der Einsetzung in die Gebärmutter verstanden. Das Verfahren ist daher nur bei Embryonen möglich, die durch künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) entstanden sind. Einige Tage nach der Befruchtung wird mindestens eine Zelle des Embryos entnommen.

Nach der Entnahme der Zelle wird das Genom des Embryos auf Genmutationen oder Chromosomen-Anomalien untersucht. Nach dem Verfahren wird nur ein gesunder Embryo in den Mutterleib eingepflanzt. Die anderen Embryonen werden nach der Untersuchung vernichtet oder eingefroren. Bisher war die PID in Deutschland verboten. Mit einem Urteil zur PID hat der Bundesgerichtshof im Juli vergangenen Jahres das Verbot jedoch faktisch aufgehoben und sie in bestimmten Fällen für zulässig erklärt.

Diskriminierung von Behinderten befürchtet

Einen Antrag auf PID stellen in der Regel Eltern, die selbst eine vererbbare Krankheit oder Behinderung oder die Disposition dazu haben, oder Frauen, die bereits Tot- und Fehlgeburten hinter sich haben. Sie wollen durch die Untersuchung verhindern, ein schwer krankes oder behindertes Kind zu bekommen. Was genau untersucht wird, hängt von dem betreffenden Elternpaar ab. Es wird kein kompletter Test auf alle bekannten Erbkrankheiten gemacht.

Kritiker der PID führen an, dass ein Katalog von Gendefekten oder Krankheiten, für die die PID zulässig sein soll, kaum aufzustellen sei. So gibt es genetisch bedingte Krankheiten, die erst im späten Erwachsenenalter auftreten. Es gibt Gene, die eine Erkrankung auslösen können. Sie muss aber nicht eintreten, etwa Brustkrebs. Zudem wird eine Diskriminierung von behinderten Menschen gefürchtet.

[listbox:title=Erster Gesetzentwurf zur PID[Verbot der PID: In dem Gesetzentwurf wird ein komplettes Verbot von Gentests an Embryonen, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind, gefordert. Ärzte, die dem Verbot zuwiderhandeln, müssen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen. Für diesen Antrag wirbt neben anderen die grüne Bundestagsvizepräsidentin und EKD-Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gilt als Anhängerin des Verbots.]]

[listbox:title=Zweiter Gesetzentwurf zur PID[Zulassung der PID in sehr engen Grenzen: Nach dem Entwurf soll die PID grundsätzlich verboten, aber in Ausnahmen erlaubt sein. Paaren, die eine genetische Vorbelastung bzw. eine Chromosomenstörung haben, so dass Schwangerschaften in der Regel mit einer Fehl- oder Totgeburt enden oder das Kind im ersten Lebensjahr stirbt, soll die Möglichkeit der PID offenstehen. Initiatoren diese Vorschlags sind neben anderen die Abgeordneten René Röspel (SPD), Priska Hinz (Grüne) und Patrick Meinhardt (FDP).]]

[listbox:title=Dritter Gesetzentwurf zur PID[Zulassung der PID in weiteren Grenzen: Auch hier geht es um ein grundsätzliches Verbot der PID mit Ausnahmen. Die Ausnahmen sind allerdings weiter gefasst. Wenn die Nachkommen "eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit" haben oder eine Abweichung in den Chromosomen dazu führen würde, dass die Schwangerschaft mit einer Fehl- oder Totgeburt endet, soll PID nicht rechtswidrig sein. Das gilt auch für Krankheiten, die erst im höheren Lebensalter auftreten oder für genetische Dispositionen, die die Möglichkeit einer Erkrankung beinhalten. Dieser Entwurf wurde von einer Gruppe um den CDU-Wirtschaftsstaatsekretär Peter Hintze eingebracht.]]

Die wichtigsten Fachbegriffe

Bei der Suche nach einer gesetzlichen Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) spielt das exakte Entwicklungsstadium des Embryos eine zentrale Rolle. Sowohl im Embryonenschutzgesetz als auch im Gendiagnostikgesetz fehlen bislang ausdrückliche Vorschriften für die umstrittenen Gentests an Embryonen. Im Folgenden eine Erläuterung der wichtigsten Fachbegriffe:

- Totipotenz: Etwa 20 bis 22 Stunden nach der Befruchtung entsteht in der Eizelle (Zygote) das vollständige individuelle menschliche Genom. Die Zygote ist totipotent. Das bedeutet, dass sich ein vollständiger menschlicher Organismus, ein neues Individuum aus dieser einen Zelle entwickeln kann. Eine PID an totipotenten Zellen ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nach dem Embryonenschutzgesetz verboten.

- Blastomeren: Die Tochterzellen der Zygote teilen sich in vier Zellen, die sogenannten Blastomeren. Auch sie sind totipotent. Im Ausland wird die PID zum Teil an Blastomeren durchgeführt.

- Blastozyste: So wird das Entwicklungsstadium am vierten bis sechsten Tag nach der Befruchtung bezeichnet. Die Blastozyste (Keimblase) besteht aus 100 bis 200 Zellen, die nicht mehr totipotent, sondern pluripotent sind (siehe Pluripotenz). Die äußere Zellschicht ist später an der Bildung der Plazenta beteiligt, die innere Zellmasse besteht aus Vorläuferzellen für den späteren Embryo.

- Blastozystenbiopsie: Die PID beginnt mit der Entnahme mindestens einer Zelle (Biopsie). Nach heutigen medizinischen Erkenntnissen kann eine Zellentnahme am vierten Tag nach der Befruchtung für eine PID erfolgen.

- Trophoblastzellen: So wird die äußere Zellschicht der Keimblase bezeichnet. Eine weitere, aber noch recht neue Möglichkeit der PID ist die Entnahme von Trophoblastzellen. Der Embryo wird dadurch nach gängiger Auffassung nicht beschädigt.

- Pluripotenz: Die Blastozysten- und Trophoblastzellen sind nicht mehr totipotent, sondern nur noch pluripotent. Eine einzelne pluripotente Zelle kann sich zu zahlreichen Zellen, Geweben oder Organen entwickeln, aber nicht zu allen oder zu einem Individuum. Die Entnahme pluripotenter Zellen widerspricht nach dem Embryonenschutzgesetz nicht dem Schutz des Embryos, urteilte der Bundesgerichtshof.

- Dreierregel: Nach dem Embryonenschutzgesetz dürfen bei einer künstlichen Befruchtung innerhalb eines Zyklus' nur so viele Embryonen erzeugt werden, wie auf die Frau übertragen werden können, maximal drei. Für eine PID werden aber sechs bis acht Embryonen benötigt. Ungeklärt ist bislang, was mit überzähligen Embryonen geschehen soll. Nach derzeitiger Gesetzeslage werden überzählige Embryonen eingefroren (Kryokonservierung), wenn sie etwa aufgrund eines Notfalls nicht eingepflanzt werden konnten.

- Embryonenschutzgesetz: Das Gesetz trat am 1. Januar 1991 in Kraft. Es regelt die künstliche Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation) und wägt dabei die Menschenwürde und den Schutz des Embryos gegen Interessen der Forschung und Wissenschaft ab. Zudem soll Missbrauch vorgebeugt werden. So ist etwa die Verwendung des Embryos zu anderen Zwecken als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ebenso verboten wie Leihmutterschaft oder Klonen. Bei Erlass des Gesetzes wurde die PID gerade erst im Ausland entwickelt. Sie ist daher nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt.

- Gendiagnostikgesetz: In dem Gesetz, das am 1. Februar 2010 in Kraft trat, wird die Zulässigkeit von Gentests und die Verwendung ihrer Ergebnisse, etwa im Arbeitsleben oder für Versicherungen, geregelt. Genetische Untersuchungen während der Schwangerschaft (Pränataldiagnostik) werden ausdrücklich erlaubt, es sei denn, sie dienen dazu, Krankheiten zu diagnostizieren, die erst im Erwachsenenalter ausbrechen. Die PID fällt nicht unter das Gesetz. Die Befürworter eines PID-Verbots wollen daher einen entsprechenden Paragrafen in das Gendiagnostikgesetz einfügen.

epd