Mobbing-Webseite iShareGossip kommt auf den Index

Mobbing-Webseite iShareGossip kommt auf den Index
Die Internetseite iShareGossip.com ("Ich teile Gerüchte") ist wieder in die Schlagzeilen geraten. Jugendliche nutzen diese virtuelle Plattform, um Mitschüler zu beleidigen. Nun soll ein solcher Fall in Berlin für einen Überfall auf einen 17-jährigen Jungen gesorgt haben. Die Webseite steht laut Bundesfamilienministerin Kristina Schröder bald auf dem Index der jugendgefährdenden Medien.
23.03.2011
Von Rosa Legatis

Der Jugendliche hatte offenbar versucht, zwischen einem Opfer und deren Peinigern zu vermitteln. Dafür wurde er von rund 20 Mädchen und Jungs verprügelt und schwer verletzt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen mehrere Jugendliche.

Auf der Internetplattform iShareGossip soll die Freundin des schwerverletzten Jugendlichen zuvor gemobbt worden sein. Die User diskutieren auf der Seite noch immer über das Thema. "Sie bepöbelten seine Freundin hier als 'Schlampe', mobbten sie. Ein Mob aus 20 Jugendlichen prügelte ihren Freund krankenhausreif, er erlitt schwerste Kopfverletzungen. Ist der asoziale Mob jetzt zufrieden? Schämt Euch!!" schreibt einer der User.

In den gesammelten Meldungen wird eine Frage nach oben geklickt, die sich viele stellen: "Wo bleibt die Stellungnahme der Macher/Moderatoren/Verantwortlichen für diese Seite zu dem Vorfall in Berlin? Weder hier noch im Blog findet sich auch Stunden nach der ersten Meldung irgendein Beitrag hierzu. Es ist wirklich schön, sich in der Anonymität und im Ausland verstecken zu können, um als agent provocateur und geistiger Brandstifter agieren zu können."

Im offiziellen Blog der Seite war bis Donnerstag, 24. März, nichts über den Vorfall zu lesen, die Macher waren für evangelisch.de nicht zu erreichen.

Beleidigungen werden billigend in Kauf genommen

Die Seite hat sich auf die Fahnen geschrieben, ein ungehemmtes Kommunikationsmedium zu sein, in dem Lehrer oder Arbeitgeber nicht nachvollziehen können, wer was geschrieben hat. "Die uneingeschränkte Nutzung der Netwerke geht verloren", schreiben die iShareGossip-Macher auf ihrer Webseite über große soziale Netzwerke wie Facebook oder StudiVZ.

Moderiert wird auf iShareGossip kaum - es gibt zwar nach den Angaben auf der Seite ein Team an Moderatoren, die Richtlinien für die Moderation bieten aber auch keine wirkliche Handhabe:
"1. Pornographie – Was unter die Definition Pornographie fällt findet ihr bei Wikipedia
2. Beiträge mit 0% Inhalt oder Sinn".

Mobbing, Rechtsradikalismus, Extremismus, Beleidigungen und persönliche Angriffe werden billigend in Kauf genommen. Immer wieder wird auf der Webseite die Anonymität der Beiträge betont, deren Herkunft angeblich für niemanden nachvollziehbar sein soll. Ob das wirklich so ist, werden die Ermittlungen in dem Berliner Fall zeigen.

Dass Jugendliche andere Mädchen und Jungen schikanieren, verspotten und diffamieren, ist allerdings keine Erfindung des Internets - auch wenn mindestens jeder fünfte Schüler schon Kontakt mit sogenanntem Cyber Mobbing hatte. "In Schulen ist dies schon lange ein immer wiederkehrendes Thema", sagt Andrea Urban von der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen.

Anonymität erschwert die Verfolgung

Aber das Internet und Seiten wie iShareGossip bieten durch die Anonymität eine andere Qualität und den Tätern einen größeren Schutz. Trotzdem gelten auch dort ähnliche Regeln wie in der realen Welt. "In den meisten Fällen kennen sich Opfer und Täter," so Urban. Das sorge jedoch auch für eine zusätzliche Verunsicherung: "Die Mobber könnten zum vermeintlichen Freundeskreis gehören."

Dennoch ist es schwierig, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Das weiß auch der Berliner Staatsanwalt Martin Steltner. Es gebe nur geringe Erfolgsaussichten, vor allem wenn Server und Betreiber im Ausland ansässig seien. "Dadurch ist es schwieriger, Informationen zu bekommen", so Steltner. In Berlin arbeiten Staatsanwaltschaft und Polizei künftig in solchen Fällen noch enger zusammen.

Trotzdem gibt es Mittel und Wege, gegen virtuellen Beleidigungen und Verunglimpfungen vorzugehen, auch wenn der Betreiber außerhalb Deutschlands ansässig ist - im Fall von iShareGossip sitzt er in Lettland. Wenn ein Betreiber nicht reagiert, obwohl er gebeten wird, einen Eintrag zu löschen, "könnte sich das Opfer an den lettischen Datenschutzbeauftragten wenden", sagt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. Wenn es konkrete Verdachtsmomente wie bestimmte Formulierungen gibt, sollte der mutmaßliche Täter angezeigt werden, auch wenn die Beweislage problematisch sein könnte.

Prinzipiell sei es jedoch erlaubt, so Weichert, anonym im Internet etwas zu veröffentlichen. Das bestätige auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) von 2009. Damals ging es um das Internetportal spickmich.de. Wer allerdings die Persönlichkeitsrechte Anderer angreift, kann sich darauf nicht berufen.

Opfer sollen nicht allein kämpfen

"Wer Opfer von Cyber Mobbing wird, sollten nicht auf die Verunglimpfungen und Beleidigungen eingehen", rät Andrea Urban von der niedersächsischen Landesstelle für Jugendschutz. Reaktionen des Opfers würden den Tätern zeigen, dass sie Erfolg haben und ihr Machtgefühl befriedigen. Betroffene sollten sich Freunden, den Eltern oder Lehrern anvertrauen, damit sie die Situation nicht allein meistern müssen.

Ein weiterer Schritt könnte sein, so Urban, dass das Mobbing öffentlich gemacht wird, so dass unter anderem Klassenkameraden davon erfahren, denn nicht jeder findet dieses Verhalten gut. Außerdem ist nicht jedem Mitschüler klar, dass auch er schon dadurch mitmobbt, indem er schweigt. In jedem Fall sollte immer ein individueller Weg gesucht werden, sagt die Jugendschützerin. Ein Schulwechsel ist beim Cyber Mobbing meist sinnlos, da das Internet Stadtteil- und Ortsgrenzen problemlos überwindet.

Hilfe für Opfer gibt es an unterschiedlichen Stellen. Viele Lehrer sind mittlerweile durch Schulungen sensibilisiert. Außerdem helfen örtliche Jugendberater weiter. Und es gibt Angebote im Internet, so zum Beispiel auf der Seite jugendinfo.de vom ServiceBureau Jugendinformation in Bremen.

Indizierungsverfahren lief bereits

Nach der brutalen Schlägerei in Berlin will Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) entschiedener gegen Mobbing-Webseiten vorgehen. "Eine Gesellschaft, der der Kinder- und Jugendschutz etwas bedeutet, kann und darf eine solche Entwicklung nicht sang- und klanglos hinnehmen", sagte Schröder dem "Wiesbadener Kurier" (Donnerstag). Im Februar war iShareGossip bereits einige Tage vom Netz genommen worden.

"Ich habe die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien schon vor einiger Zeit gebeten, eine Indizierung der Seite zu prüfen. In dieser Frage muss mir auch keiner mit einer Zensur-Debatte kommen", sagte Schröder weiter. "Hier beleidigen sich Jugendliche aufs Übelste und ziehen unter dem Deckmäntelchen der Anonymität den Ruf des anderen in den Dreck - vor allem den Ruf junger Mädchen."

Nun teilte Schröder mit, dass die Webseite tatsächlich auf den Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medein (BpjM) kommen werde. Internetseiten, die von der Bundesprüfstelle indiziert werden, können auf den deutschen Versionen der einschlägigen Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo nicht mehr ohne Weiteres gefunden werden.

Im Berliner Stadtteil Wedding hatte eine Gruppe von Jugendlichen am Samstagabend einen 17-Jährigen krankenhausreif geprügelt. Der junge Mann hatte seine Freundin vor massiven Beleidigungen ihrer Mitschülerinnen auf "Isharegossip" schützen wollen. Deshalb verabredete er sich zu einer Art Schlichtungsgespräch mit ihnen. Doch zu den Mädchen gesellten sich immer mehr junge Männer - bis schließlich rund 20 Jugendliche über den 17-Jährigen herfielen.

mit Material von dpa

Rosa Legatis ist freie Mitarbeiterin für evangelisch.de.