Musiker oder alte Dame: Haiti wählt Präsidenten

Musiker oder alte Dame: Haiti wählt Präsidenten
Nach den Wahlen an diesem Sonntag hoffen die Haitianer auf einen Neubeginn nach Erdbeben, Unwettern und Cholera. Doch es melden sich auch Kräfte der Vergangenheit, die das behindern könnten.
18.03.2011
Von Franz Smets

Die Haitianer stehen vor einer folgenschweren Entscheidung. Bei der Präsidenten-Stichwahl an diesem Sonntag müssen sie sagen, ob der populäre Musiker Michel Martelly oder die Frau eines ehemaligen Präsidenten, Mirlande Manigat, die neue Regierung anführen soll. Das neue Staatsoberhaupt hat vor allem die Aufgabe, mit den Geldern der internationalen Staatengemeinschaft das nach Erdbeben und anderen Katastrophen am Boden liegende Land wieder aufzubauen.

Können Aristide und Duvalier einen Neubeginn behindern?

Ungestört und friedlich, so ist zu befürchten, dürfte auch dieser Wahlsonntag nicht verlaufen. In den vergangenen Tagen kam es zu mehreren Zusammenstößen zwischen den Anhängern der beiden Kandidaten. Überschattet wurde die Wahl zudem von der bevorstehenden Ankunft des 2004 aus dem Land gejagten ehemaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide. Ausländische Beobachter befürchten, dass Aristide die Lage destabilisieren könnte, vor allem nachdem ein anderer potentieller Unruhestifter, der frühere Diktator Jean Claude , bereits im Januar nach Haiti zurückgekehrt war.

Mit Sätzen wie: "Wir stehen für Kompetenz und moralische Integrität", versucht sich Manigat (71), eine Rechtsprofessorin und ehemalige Senatorin, von dem populären Unterhaltungskünstler Martelly abzusetzen. Sie war Ende der 1980er Jahre für ein paar Monate First Lady in Haiti, bis ihr Mann Leslie Manigat von Militärs abgesetzt wurde. Aus dem chaotischen ersten Wahlgang am 28. November 2010 ging Mirlande als klare Siegerin hervor - vor Jude Celestin, dem Favoriten des amtierenden Präsidenten René Préval.

"Ich bin ehrlich und werde es immer bleiben"

Nach schweren Protesten der Opposition, die Préval vorwarf, die Wahl zugunsten seines Kandidaten gefälscht zu haben, entschied die Wahlbehörde unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft, Martelly auf den zweiten Platz zu setzen, um ihn statt Celestin in die Stichwahl schicken zu können.

Martellys Botschaft ist einfach: "Ich bin ehrlich und werde es immer bleiben", pflegt er seinen Anhängern zuzurufen, um die korrupte politische Elite anzuprangern. "Ich werde einen Wechsel einleiten", verspricht er. Neueste Umfragen sehen Martelly, der nicht zum politischen Establishment gehört, mittlerweile in Führung.

Wichtige Unterstützung für Martelly kam vom derzeit einzigen haitianischen Weltstar, dem Rapper Wyclef Jean. Er ist in den vergangenen Wochen mit seinem Freund Martelly bei zahlreichen Wahlveranstaltungen aufgetreten.

Der in den USA lebende Jean ist in seiner Heimat außerordentlich populär. Er wollte sich im vergangenen Jahr selbst für das Präsidentenamt in Haiti bewerben. Das aber lehnte der Wahlrat mit dem Hinweis ab, dass Jean in den vergangenen fünf Jahren nicht in Haiti gelebt habe - nach der Verfassung die Voraussetzung für eine Kandidatur.

 Die Internationale Staatengemeinschaft hofft, dass durch die Wahl nicht nur der politische Stillstand in Haiti beendet wird. Der Chef der seit 2004 in Haiti stationierten UN-Stabilisierungsmission Minustah, Edmond Mullet, hat stets bekräftigt, dass eine demokratisch legitimierte Regierung Partner des Neuanfangs von Haiti sein soll.

Nach dem verheerenden Erdbeben im Januar 2010 hatten die Staaten der Welt unter Führung der Vereinten Nationen zehn Milliarden Dollar für den Wiederaufbau Haitis versprochen. Mehr als 220.000 Menschen waren bei der Katastrophe ums Leben gekommen, Hunderttausende leben seither in Obdachlosenlagern. Im Oktober brach zudem erstmals seit einem Jahrhundert in Haiti die Cholera aus, nach jüngsten Angaben der Gesundheitsbehörden starben fast 4.700 Menschen daran. Und immer noch erliegen täglich vier Menschen der Seuche.

dpa