Wild nach einem wilden Traum
Erinnerungen an die leidenschaftliche Begegnung mit einem katalanischen Schriftsteller schließen die Trilogie über ein Frauenleben.
Nach "Das Vorkommnis" (2022, mein Favorit) und "Das Liebespaar des Jahrhunderts" (2023) setzt Julia Schoch noch einmal an einem anderen Punkt an. Wieder taucht sie ein in die Möglichkeiten eines, ihres Frauenlebens.
Angetrieben von Erinnerungen erzählt sie von der viele Jahre zurückliegenden Begegnung in einer Künstlerkolonie in den USA mit einem Katalanen. Es ist ein sexuelles Begehren ohne viel Worte, einverständig, lustvoll und ohne Konsequenzen, das Mann und Frau - beide angehende "writer" -zusammenführt. Verwoben mit diesen Erlebnissen ist die Erinnerung an eine frühe Erzählung von der scheuen Begegnung eines jungen Mädchens mit einem Soldaten am Rande einer Kaserne im Norden der ehemaligen DDR.
Leben und Schreiben geht in diesem nachdenklichen Buch in die spiralförmige Identätsuche einer erwachsenen Frau über, in dem sie ihren Lieben, dem Wandel, der Verbundenheit und der Ferne zwischen vertrauten Menschen nachgeht. Und ein Buch mit wunderbaren Sätzen: "Nie werde ich genug von alle dem haben, dachte ich, von den Menschen, der Welt und mir darin."
Ein wohltuend nüchterner Blick auf ein interessantes Schriftstellerinnenleben mit Mut zur Aussage. "Am Ende schlüpft man doch immer nur in sich selbst." Vermutlich vordringlich für Leserinnen. Gabriele Kassenbrock
Schoch, Julia: Wild nach einem wilden Traum. Biographie einer Frau. Drittes Buch. Roman. Julia Schoch. München: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG 2025. 173 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-423-28425-7, geb.: 23,00 €
Die Geschichte des Klangs
Drei Liebesgeschichten mit unterschiedlichem Ausgang im Amerika des 20. Jahrhunderts.
Kann ein Buch glücklich machen? Dieses schon! Die Stimmung der Liebesgeschichte zwischen Lionel und David, die sich in einer Kneipe in Maine vor dem Hintergrund des 1. Weltkriegs kennenlernen, teilt sich der Leserin unmittelbar mit, die gemeinsame Liebe zur Musik, die Schlichtheit der Lebensverhältnisse und die Konzentration auf das Wesentliche.
Der alte Lionel erzählt erst 1984, wissend um den baldigen Ausgang der Geschichte. Im zweiten Teil dieses kleinen Buches lernen wir die Liebesgeschichte zwischen Annie und Henry kennen, die in eine recht konventionelle Ehe mündet. Immer mehr spürt Annie eine Sehnsucht nach einem intensiveren Leben in sich, auch wenn ihr Alltag gerade vom Ausräumen eines möbliert gekauften alten Hauses geprägt ist.
Dort findet sie unter den Dielen einen Koffer mit Phonografenwalzen und sucht die vermeintliche Besitzerin Belle auf. Und plötzlich gibt es eine Verbindung zu Lionel und David. Der Autor vermag es, auf wenigen Seiten ein Leben mit Tiefe und Wärme auszuspannen und den Lesenden Raum für eigene Empfindungen zu geben.
Ein wunderschönes Buch für eine große Zielgruppe von jung bis alt, unterhaltsam mit Tiefe, zum Gespräch in Literaturgruppen und einfach zum Alleingenießen. Gabriele Kassenbrock
Shattuck, Ben: Die Geschichte des Klangs. Ben Shattuck. Dt. von Dirk van Gunsteren. München: Hanser 2025. 103 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-446-28424-1, geb.: 20,00 €
Junge Frau mit Katze
Ein Frauenkörper im Alarmzustand.
Ela, die mit Katze Sir Wilson zusammenwohnt, müsste sich eigentlich auf die Verteidigung ihrer Doktorarbeit über Yoko Tawada vorbereiten. Doch was mit Halsschmerzen beginnt, wächst sich zu einer eskalierenden gesundheitlichen Katastrophe und schwindelerregendem Ärztehopping aus.
Durch ein Missverständnis mit ihrem Büronachbarn O. erweckt Ela auch noch den Anschein, Japanisch zu sprechen und schafft es nicht, das Missverständnis aus der Welt zu räumen. Dabei ist Lernen in diesem Zustand unmöglich und dann soll es auch noch an der heißgeliebten Katze liegen ...
Daniela Dröscher, die mit "Lügen über meine Mutter" auf der Shortlist des Dt. Buchpreises 2022 stand, lässt die ebenfalls durch ihren Körper ausgebremste Mutter aus ihrem vorherigen Roman wieder auftauchen, aber nur als Nebenfigur. Dröscher legt mit ihrem dritten Buch einen mitreißenden - trotz ausführlicher Symptombeschreibungen - unterhaltsamen und psychologisch spannenden autofiktionalen Roman vor, in dessen Mittelpunkt nicht mehr und nicht weniger als das komplexe Gefüge aus Schmerz, sozialer Herkunft und Geschlecht steht. Wie die Erzählerin sich aus allem Leid herausschreibt und wieder lernt, auf sich zu hören, liest sich humorvoll und berührend.
Für Menschen, die sich für das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele interessieren und sich nicht von Krankheitsgeschichten triggern lassen, sehr zu empfehlen! Marie Varela
Dröscher, Daniela: Junge Frau mit Katze. Roman. Daniela Dröscher. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2025. 313 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-462-00761-9, geb.: 24,00 €
Die Hummerfrauen
Die Geschichte von drei Frauen und ihrer außergewöhnlichen Freundschaft.
Als Kind verbrachte Mina Sommer voller Freiheit mit ihrer Familie in dem kleinen Fischerdorf Stone Harbour auf Eagle Island in Maine. Nach dem Tod ihres Bruders kehrt sie fast zwanzig Jahre später zurück an diesen Ort. Sie wird von den Hummerfischerinnen Ann (72) und Julie (54 )aufgenommen und fährt mit ihnen hinaus aufs Meer.
Gerstberger skizziert die drei Lebenswege dieser Frauen, die sich in einer Männerdomäne behaupten.Sie hadern mit Schuld, Angst und Traurigkeit, finden aber in diesem Ort, mit ihrer Freundschaft und kleinen Ritualen – einer gemeinsamen Hummerfallen-Reparatur, nächtlichen Gesprächen am Kai oder einem stillen Blick auf das Meer – neue Kraft. Ann lebt alleine; nur der blaue Hummer Mr. Darcy leistet ihr Gesellschaft.
Die 54-jährige Julie hatte einen Unfall und ist dabei, sich ein neues Leben aufzubauen. Sie ist geradeheraus, anpackend und hilfsbereit. Sie mag den Fischer Nat, macht es sich aber selbst schwer. Mina muss zu sich selber finden. Sie trifft ihren Freund aus Kindertagen - Sam, dessen Bruder auch einen tödichen Unfall hatte. Ein Roman voller Wärme und Humor, der von Freundschaft und Trauer erzählt. Christine Stockstrom
Gerstberger, Beatrix: Die Hummerfrauen. Roman. Beatrix Gerstberger. München: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG 2025. 393 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-423-28476-9, geb.: 22,00 €
Christentum - Aufstieg und Triumph einer Religion
Eine intensiv erzählte Geschichte vom Aufstieg des Christentums und dessen Etablierung in der Gesellschaft.
Wie war es möglich, dass aus der "Jesus-Bewegung" eine Weltreligion wurde? Diese Frage wird in einer gut verständlichen Weise beantwortet. Das Ergebnis überrascht, denn nicht nur die religiöse Dimension des Christentums war für seinen Erfolg ausschlaggebend.
Die Tatsache, dass sich der röm. Kaiser Konstantin im 4.Jh. zum Glauben bekannte, führte dazu, dass der neue Glaube patriarchalisch anerkannt war, und es zum Vorteil gereichte, wenn man sich diesem ebenfalls anschloss. Damit gedieh der Glaube unter kaiserlichem Schutz. Erst, als das römische Reich zerfiel, konnte sich das Papsttum allmählich etablieren. Dazu waren eine universitäre Theologie und klare Kirchenstrukturen nötig. Gleichzeitig wurden diese von einer starken Laienbewegung und den Mönchsorden als Korrektiv begleitet.
In Summa ist festzuhalten, dass die chr. Religion des Mittelalters das Ergebnis vielfältiger politisch-religiös-sozialer Prozesse ist, deren religiöse Kraft stets auch mit dem Kalkül der Vorteilsnahme einherging. Sehr zu empfehlen! Dirk Purz
Heather, Peter: Christentum - Aufstieg und Triumph einer Religion. Peter Heather. Dt. von Susanne Held. Stuttgart: Klett-Cotta 2025. 799 S. : Ill. ; 23 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-608-98122-3, geb.: 42,00 €
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