EU will Gaddafi mit Sanktionen zum Rücktritt zwingen

EU will Gaddafi mit Sanktionen zum Rücktritt zwingen
Die EU-Staaten preschen beim Thema Libyen mit neuen Sanktionen vor. Gaddafi muss sofort zurücktreten, erklärten europäische Außenminister bei einem Sondertreffen. Nur beim Thema Flugverbot ist man weiter zögerlich. Aus gutem Grund, betont Außenminister Westerwelle.

Deutschland und die übrigen 26 EU-Staaten wollen das Gaddafi-Regime mit noch härteren Sanktionen zum Rücktritt zwingen. Während der Rat der Europäischen Union am Donnerstag anordnete, weitere Vermögen der Führung einzufrieren, berieten die Außenminister der EU-Länder bereits über neue Maßnahmen. Nur ein militärisches Eingreifen erscheint weiter unwahrscheinlich. Zu groß ist die Angst, dass in der arabischen Welt neuer Zorn gegen den Westen hochkochen könnte.

"Wir wollen nicht in einen Krieg in Nordafrika hereingezogen werden", kommentierte Außenminister Guido Westerwelle am Rande eines Sondertreffens mit Amtskollegen in Brüssel. "Deswegen müssen wir klug und vorsichtig entscheiden, damit wir nicht das genaue Gegenteil von dem bekommen, was wir wollen, nämlich Frieden und Freiheit."

EU-Sanktionen treten schon Freitag in Kraft

Westerwelle betonte, es gebe eine ganze Anzahl von anderen Staaten in der EU, die eine gesunde Skepsis gegenüber einer militärischen Intervention durch eine Flugverbotszone hätten. Niemals dürfe der Eindruck entstehen, als sei die Freiheitsbewegung etwas, das vom Westen imperial gemacht wird. Zwingende Voraussetzung für Militäraktionen müsse ein UN-Mandat in Verbindung mit einer aktiven Beteiligung arabischer Staaten sein. Beides wird es nach derzeitigem Stand aber vorerst nicht geben.

Die am Donnerstag beschlossenen Druckmittel sehen konkret vor, die Vermögen von fünf libyschen Finanzunternehmen einzufrieren. Außerdem wird der österreichische Staatsbürger Mustafa Zarti auf die Liste von bisher 26 Führungsgestalten um Gaddafi gesetzt. Auch seine Konten werden damit gesperrt. Da der als "Strohmann" Gaddafis geltende Zarti einen EU-Pass hat, darf er sich allerdings weiter in der EU aufhalten - im Gegensatz zu den 26 anderen Personen. Die Sanktionen können bereits an diesem Freitag im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden und damit Gültigkeit erlangen.

"Brüssel hat gehandelt und nun muss auch New York handeln", forderte Westerwelle. Kurz zuvor hatte Deutschland mit sofortiger Wirkung die Konten der libyschen Notenbank und des libyschen Staatsfonds LIA bei deutschen Kreditinstituten gesperrt. Hintergrund des Vorpreschens ist die Angst, dass das Regime von Muammar al-Gaddafi noch vor dem Inkrafttreten der EU-weiten Sanktionen Gelder abziehen könnte.

Gaddafis Gelder sollen komplett eingefroren werden

Um den Druck auf die libyschen Machthaber noch weiter zu erhöhen, werden zusätzliche Sanktionen geplant. Deutschland und Großbritannien schlugen vor, Gaddafi die Immunität abzuerkennen. Dadurch würde ihm der Schutz entzogen, den Staatschefs gewöhnlich genießen. Zudem wird in Erwägung gezogen, Zahlungen für Öllieferungen komplett zu blockieren. Letzte Konsequenz könnten ein Importverbot für Güter aus Libyen und ein Exportverbot für Güter aus der EU in Richtung Tripolis sein. Sämtliche Geldflüsse, die in Gaddafis Hände geraten könnten, sollten eingefroren werden, sagte Westerwelle. "Wir werden auf diesem Weg weitergehen."

Italien will nach dpa-Informationen vorschlagen, Schiffe der Nato und EU zu Patrouillenfahrten in die Nähe der libyschen Küste zu schicken. Sie könnten Waffenlieferungen verhindern und mögliche Flüchtlingsströme überwachen. Westerwelles französischer Amtskollege Alain Juppé sagte, Europa müsse sich vor allen im Bereich der humanitären Hilfe engagieren. Allerdings verlautete gleichzeitig aus Paris, Präsident Nicolas Sarkozy sei sogar für Luftschläge gegen Ziele in Libyen.

Beim Gipfel am Freitag wird die EU wohl Gaddafis Rücktritt fordern

Zu Kontakten mit Rebellen sagte Westerwelle, dass auch die Bundesregierung die Gespräche mit Oppositionsvertretern in Libyen intensivieren werde. Die von Frankreich erfolgte Anerkennung des oppositionellen Rebellenrats beurteilte er jedoch skeptisch. "Völkerrechtlich ist das, was Frankreich entschieden hat, eine symbolisch vielleicht bedeutsame Entscheidung, aber es hat keine handfesten politischen Konsequenzen", sagte der Minister. "Wir erkennen Staaten an und nicht Gruppen", betonte sein britischer Amtskollege William Hague.

Westerwelles Ansicht nach muss es zudem weitere Prüfungen geben. "Für wen sprechen diese Kräfte? Wo kommen diese Kräfte her? Können sie wirklich den Anspruch erheben, auch für das libysche Volk die Stimme zu erheben und für das libysche Volk zu sprechen? Das sind Fragen, die erst einmal geklärt werden müssen", bekräftigte er.

Bei einem Libyen-Sondergipfel an diesem Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten nach dpa-Informationen gemeinschaftlich den sofortigen Rücktritt Gaddafis fordern. "Ein Mann, der sein eigenes Volk mit einem Bürgerkrieg überzieht, ist am Ende. Der muss gehen", sagte Westerwelle.

dpa