"Es gibt keinen Wochenendurlaub in Feyzabad"

"Es gibt keinen Wochenendurlaub in Feyzabad"
Pfarrer Uwe Kolesch ist evangelischer Militärpfarrer, zurzeit stationiert in Feyzabad (auch: Faisabad), Afghanistan. Sein Heimatstandort ist Galstedt in der Nähe von Bremen, aber für gute vier Monate verlagert sich seine Arbeit als Seelsorger und Pastor an den Hindukusch. Im Interview mit evangelisch.de berichtet er von den Sorgen der Soldaten vor Ort – und wie sich auch im Militärlager eine kleine Gemeinde bildet.
28.01.2011
Die Fragen stellte Hanno Terbuyken

Wie lange sind Sie schon in Feyzabad?

Pfarrer Uwe Kolesch: Ich bin seit November hier und bleibe noch bis März, genau so lange wie die meisten Soldaten. Wir sind hier in einem Provincial Reconstruction Team, kurz PRT. Das wird zivil und militärisch geführt. Wir haben hier einen Vertreter des Außenministeriums als zivilen Leiter, und wir haben den militärischen Leiter, den Kommandeur, das ist parallel aufgebaut. Und weil das Ziel ist, hier irgendwann die Verantwortung in afghanische Hände zu legen, findet vom PRT aus ein Großteil an Ausbildung für afghanische Sicherheitskräfte, also Armee beziehungsweise Polizei, statt. Diese Ausbildung machen für den polizeilichen Sektor Feldjäger und Polizeibeamte. Deswegen haben wir hier einen großen Anteil an Polizeibeamten, die hier afghanische Polizisten ausbilden.

Haben denn die Einsatzkräfte vor Ort Hoffnung, dass das so funktioniert?

Kolesch: Ja nun... dazu sind wir hergeschickt worden, das machen sie so gut, wie sie das können. Es gibt sicherlich Erfolge, die man vorweisen kann, aber da fragen sie mal die zivile und die militärische Führung. Die Soldaten und Polizeibeamten hier versehen ihren Dienst, mit viel Enagement so gut sie das können. Die haben sicherlich auch manchmal ihre Fragen, die haben auch ihre Erlebnisse und ihre persönliche Meinung, aber sie erfüllen hier ihren Auftrag, die machen das.

Wie hält man den Glauben in so einem Einsatz aufrecht?

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Kolesch: Wir halten hier jede Woche einen Gottesdienst, der auch ganz gut angenommen wird. Und natürlich stehe ich den Soldaten als Ansprechpartner und Seelsorger zur Verfügung. Und "Kirche" bringt man immer mit, wenn man ein Kreuz auf den Schultern trägt.

Bringen die Soldaten ihren Glauben auch mit oder ist das etwas, was erst da entsteht? Stellen Sie fest, dass Soldaten, die vielleicht mit der Kirche nichts zu tun haben, zu ihnen kommen und das Angebot nutzen?

Kolesch: Es gibt das eine wie das andere. Es gibt Leute, die im Einsatz anfangen, sich für Glaubensdinge zu interessieren, und es gibt Leute, die bringen ihren Glauben mit und bringen sich auch ein. Das finde ich auch ganz schön. Im Gottesdienst hier hat sich beispielsweise jetzt ganz lange ein Oberstleutnant engagiert und in jedem Gottesdienst konstant die Lesung gehalten. Oder ich habe hier einen Polizeibeamten, der sich beteiligt, weil er sagt: Ich mache zu Hause im Kirchenvorstand auch mit, das ist für mich kein Problem, ich teil auch gerne das Abendmahl mit aus. Es gibt das eine wie das andere. Gesprächspartner ist man für alle, die da sind, und das wird auch angenommen.

Wird die politische Debatte hierzulande in Feyzabad wahrgenommen?

Kolesch: Die wird wahrgenommen. Zum einen haben wir hier einen Presseoffizier, der uns Presselandschaft präsentiert und das ganz gut und zuverlässig macht. Außerdem hat hier jeder eigentlich auch Zugang zum Internet. Da gibt es durchaus Möglichkeiten, dass man sich informiert. Es gibt Fernsehkanäle, die hier eingespeist sind, so dass man selber auch mal Tagesschau oder heute gucken kann. Die Möglichkeiten sind durchaus da.

Wie sehr sind Sie akzeptiert in ihrer Rolle als Seelsorger? Ist das ein integraler Teil des Alltags für die Menschen vor Ort?

Kolesch: Grundsätzlich ist es so, dass man wirklich absolut akzeptiert ist. Das ist eine ganz prima Sache. Hier in Feyzabad kommt noch etwas hinzu: Wir sind ein relativ kleines Lager. Da hat man mehr oder weniger die Rolle des Dorfpastors. Man gehört dazu, man ist unter den Leuten, man wird angesprochen, man spricht andere an - man ist im Gespräch. Und das funktioniert hier sehr gut, eine feine Sache.

Was belastet die Soldaten am meisten?

Kolesch: Das größte Problem vor Ort ist die lange Trennung von zu Hause, von den Familien. Es gibt keinen Wochenendurlaub in Feyzabad, die Soldaten sind vier oder mehr Monate am Stück von ihren Familien getrennt.

Wie nehmen Sie die Sicherheitslage war? Beeinflusst das Ihre tägliche Arbeit?

Kolesch: Die tägliche Arbeit beeinflusst das insofern, dass es mal einen Raketenalarm geben kann oder dass eine Warnung da ist, weil wir wissen, dass irgendwelche feindlichen Kräfte im Raum sind und dass man sich entsprechend vorsichtig zu benehmen hat. Das betrifft zum einen alle, die aufgrund ihres Dienstauftrages sich draußen bewegen müssen, aber das betrifft uns hier im Camp natürlich auch.

Wie oft können Sie das Camp verlassen, wenn überhaupt?

Kolesch: Bislang habe ich es nicht verlassen, nur einmal für eine Übergabe-Zeremonie in der Nähe. Aber meine Hauptaufgabe liegt auch hier im Camp: Ich bin nicht unbedingt dazu da, um Patrouillen oder Ausbildungsvorhaben in der weiteren Umgebung zu begleiten. Ich bin in erster Linie für die Soldaten da, bewege mich hier im Feldlager, und dann im Rahmen dessen, was möglich ist, auch für die zivilen Mitarbeiter oder die Polizeibeamten.

Was ist das häufigste Gebet, das Sie mit Soldaten zusammen sprechen?

Kolesch: Das ist das Vaterunser, weil wir das in jedem Gottesdienst beten. Es kommt manchmal auch vor, dass man einen Soldaten in der Kapelle trifft, oder dass einer zu einem kommt. Denn das Leben geht auch zu Hause weiter, und auch da kann es manchmal etwas geben, was einen bedrückt oder bewegt. Es gibt eben zu Hause auch mal traurige Anlässe, und das hat es auch schon gegeben, dass ich da mit Leuten in der Kapelle gestanden habe und ein Gebet gesprochen habe für Erkrankte oder wegen eines Todesfalles.

Wo Sie von Nachrichten von zu Hause sprechen – es gab diese Diskussion um geöffnete Feldpost. Bedrückt das die Soldaten?

Kolesch: Nein. Das entsetzt sie. Das sind so Dinge, die überhaupt nicht sein dürfen, denn die Feldpost ist ein ganz, ganz wichtiger Bestandteil des Kontakts nach Hause. Wir raten Soldaten in der Vorbereitung deutlich zu diesem Medium, weil es viel verbindlicher und viel schöner ist, Post zu schicken oder Post zu bekommen. Wenn man diese Basis wegnimmt, nimmt man ein Stück Vertrauensbasis weg. So etwas darf nicht passieren.


Pfarrer Uwe Kolesch ist evangelischer Militärpfarrer bei der Bundeswehr und wird seine kleine Gemeinde in Feyzabad noch bis März betreuen.