Best of Benedikt: Was der Papst wirklich sagt

Best of Benedikt: Was der Papst wirklich sagt
Erstmals nimmt ein amtierender Papst in einem ausführlichen Interviewbuch Stellung zu kirchlichen und gesellschaftlichen Fragen. Der Journalist Peter Seewald hat im Sommer in Castel Gandolfo mehrere Stunden lang mit Benedikt XVI. gesprochen. Die Äußerungen des katholischen Kirchenoberhaupts zur Kondomfrage haben bereits für heftigen Wirbel gesorgt. In dem Buch "Licht der Welt" äußert sich der Papst nicht nur zu Empfängnisverhütung und Aids, sondern auch zu vielen weiteren kirchlichen und gesellschaftspolitischen Themen. Hier einige Auszüge.
23.11.2010
ausgewählt von Bernd Buchner

Papst Benedikt XVI. über...

...den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche: "Das Priestertum plötzlich so verschmutzt zu sehen, und damit die katholische Kirche selbst, in ihrem Innersten, das musste man wirklich erst verkraften. Aber es galt, nicht zugleich den Blick dafür zu verlieren, dass es in der Kirche das Gute gibt und nicht nur diese schrecklichen Dinge. (...) Es ist eine besonders schwere Sünde, wenn jemand, der eigentlich den Menschen zu Gott helfen soll, dem sich ein Kind, ein junger Mensch anvertraut, um den Herrn zu finden, ihn stattdessen missbraucht und vom Herrn wegführt. Dadurch wird der Glaube als solcher unglaubwürdig, kann sich die Kirche nicht mehr glaubhaft als Verkünderin des Herrn darstellen."

...Chancen und Grenzen des technischen Fortschritts: "Es müsste heute eine große Gewissenserforschung einsetzen. Was ist wirklich Fortschritt? Ist es Fortschritt, wenn ich zerstören kann? Ist es Fortschritt, wenn ich Menschen selber machen, selektieren und beseitigen kann? Wie kann Fortschritt ethisch und menschlich bewältigt werden? Aber nicht nur die Kriterien des Fortschritts müssten neu bedacht werden. Es geht (...) auch um den anderen Grundbegriff der Neuzeit: um die Freiheit. Die als Freiheit verstanden wird, alles machen zu können."

...die internationale Zusammenarbeit gegen den Klimawandel: "Es gibt angesichts der drohenden Katastrophe inzwischen überall die Erkenntnis, dass wir moralische Entscheidungen treffen müssen. Es gibt auch ein mehr oder weniger ausgeprägtes Bewusstsein für eine globale Verantwortung (...). Insofern ist ein gewisses Potenzial an moralischer Erkenntnis vorhanden. Aber dieses dann in politischen Willen und politische Aktionen umzusetzen, wird durch das Fehlen von Verzichtbereitschaft weitgehend wieder unmöglich gemacht. (...) So wird deutlich, dass der politische Wille letztlich nicht wirksam werden kann, wenn es nicht in der ganzen Menschheit - vor allen Dingen bei den Hauptträgern der Entwicklung und des Fortschritts - ein neues, vertieftes moralisches Bewusstsein, eine Verzichtbereitschaft gibt".

...den Protestantismus: "Man muss tatsächlich feststellen, dass der Protestantismus Schritte getan hat, die ihn eher von uns entfernen: mit der Frauenordination, der Akzeptanz homosexueller Partnerschaften und dergleichen mehr. Es gibt auch andere ethische Stellungnahmen, andere Konformismen mit dem Geist der Gegenwart, die das Gespräch erschweren. Zugleich gibt es natürlich auch in den protestantischen Gemeinschaften Menschen, die lebhaft zur eigentlichen Substanz des Glaubens hindrängen und diese Haltung ihrer Großkirchen nicht billigen."

"Man muss tatsächlich feststellen,

dass der Protestantismus Schritte getan hat,

die ihn eher von uns entfernen"

 

...Kirche und kirchliche Gemeinschaften: "Das Konzil hat hier eine sehr einfache Regel angewandt: Kirche im eigentlichen Sinn ist nach unserem Verständnis da, wo das Bischofsamt in der sakramentalen Nachfolge der Apostel gegeben ist - und damit die Eucharistie als Sakrament vorliegt, das der Bischof und der Priester spenden. Wo dies nicht der Fall ist, ist ein anderer Typus aufgebrochen, eine neue Art, Kirche zu verstehen, die wir im Vatikanum II mit dem Wort 'kirchliche Gemeinschaft' bezeichnet haben. Es sollte zeigen, dass sie auf andere Weise Kirche sind. Eben nicht, wie sie das selbst erklären, auf die gleiche Art, wie es die Kirchen der großen Tradition des Altertums sind, sondern aus einem neuen Verständnis heraus, wonach Kirche nicht in der Institution liegt, sondern in der Dynamik des Wortes, das die Menschen versammelt und zur Gemeinde macht. Insofern ist diese Terminologie ein Versuch, das Besondere der protestantischen Christenheit zu erfassen und es positiv auszudrücken."

...Eucharistie und Abendmahl: "Nicht nur die katholische Kirche, auch die gesamte Weltorthodoxie lehrt, dass nur, wer ganz im Glauben zu ihr gehört, die Eucharistie empfangen kann. Vom Neuen Testament wie von den Apostolischen Vätern her ist unmissverständlich, dass die Eucharistie das Innerste der Kirche ist - das Leben im Leib Christi in der einen Gemeinschaft. Deswegen ist Eucharistie nicht irgendein sozialer Ritus, wo man sich freundlich begegnet, sondern Ausdruck des Seins in der Mitte der Kirche. Sie kann daher von dieser Bedingung des Dazugehörens nicht gelöst werden - weil sie ganz einfach der Akt des Dazugehörens selbst ist."

...Aids und Kondome: "Tatsächlich ist es ja so, dass wo immer sie jemand haben will, Kondome auch zur Verfügung stehen. Aber dies allein löst eben die Frage nicht. Es muss mehr geschehen. (...) Das heißt, die bloße Fixierung auf das Kondom bedeutet eine Banalisierung der Sexualität, und die ist ja gerade die gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art von Droge (...). Es mag begründete Einzelfälle geben, etwa wenn ein Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein kann, ein erstes Stück Verantwortung, um wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will. Aber es ist nicht die eigentliche Art, dem Übel der HIV-Infektion beizukommen. (...) [Die katholische Kirche sieht Kondome] natürlich nicht als wirkliche und moralische Lösung an. Im einen oder anderen Fall kann es in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität."

"Wenn man Sexualität und

Fruchtbarkeit voneinander trennt,

wie es durch die Pille geschieht,

wird Sexualität beliebig."

 

...die Antibabypille: "Wenn man Sexualität und Fruchtbarkeit grundsätzlich voneinander trennt, wie es durch die Anwendung der Pille geschieht, dann wird Sexualität beliebig. Dann sind in der Folge auch alle Arten von Sexualität gleichwertig. (...) Es ist ja bekannt, dass [die katholische Kirche] die natürliche Empfängnisregelung bejaht, die nicht nur eine Methode ist, sondern ein Weg. Denn sie setzt voraus, dass man Zeit füreinander hat. Dass man in einer Beziehung lebt, die von Dauer ist. Und das ist etwas grundlegend anderes, als wenn ich ohne innere Bindung an eine andere Person die Pille nehme, um mich schnell der nächstbesten Bekanntschaft hinzugeben."

...den Pflichtzölibat für Priester: "Dass Bischöfe in der Verwirrung der Zeit auch darüber nachdenken, kann ich schon verstehen. (...) Der Zölibat ist immer ein, sagen wir, Angriff auf das, was der Mensch normal denkt: etwas, das nur realisierbar und glaubhaft ist, wenn es Gott gibt und wenn ich dadurch für das Reich Gottes eintrete. Insofern ist der Zölibat ein Zeichen besonderer Art. Der Skandal, den er auslöst, liegt eben auch darin, dass er zeigt: Es gibt Menschen, die das glauben. Insofern hat dieser Skandal auch seine positive Seite."

...Homosexualität: "Es geht um die innere Wahrheit dessen, was Sexualität im Aufbau des Menschen bedeutet. Wenn jemand tiefsitzende homosexuelle Neigungen hat - man weiß bislang nicht, ob sie wirklich angeboren sind oder in frühkindlicher Zeit entstehen -, wenn sie jedenfalls in ihm Macht haben, dann ist dies für ihn eine große Prüfung, so wie einen Menschen auch andere Prüfungen belasten können. Aber dass bedeutet nicht, dass Homosexualität dadurch moralisch richtig wird, sondern sie bleibt etwas, das gegen das Wesen dessen steht, was Gott ursprünglich gewollt hat. (...) Homosexualität ist mit dem Priesterberuf nicht vereinbar. Denn dann hat ja auch der Zölibat als Verzicht keinen Sinn. Es wäre eine große Gefahr, wenn der Zölibat sozusagen zum Anlass würde, Leute, die ohnehin nicht heiraten mögen, ins Priestertum hineinzuführen".

...das katholische Spanien: "Es ist ein Land, das nach wie vor in einer großen geschichtlichen Bewegung steht, noch dazu mit einer Vielzahl von Kulturen, die einander begegnen, etwa von Basken und Katalanen. Spanien ist immer eines der großen, der schöpferischen katholischen Länder gewesen (...). Es ist eben auch eine Vitalität des Glaubens vorhanden, die offenbar in der DNA der Spanier verankert ist."

"Wenn ein Papst zur Erkenntnis kommt,

dass er den Auftrag seines Amtes

nicht mehr bewältigen kann,

hat er das Recht zurückzutreten."

 

...ein mögliches Drittes Vatikanisches Konzil: "Wir haben insgesamt über 20 Konzilien gehabt, es wird sicher irgendwann wieder eines geben. Im Augenblick sehe ich die Voraussetzungen dafür nicht. Ich glaube, dass im Moment das richtige Instrument die Bischofssynoden sind, in denen der ganze Episkopat vertreten und sozusagen auf Suchbewegung ist, die ganze Kirche beieinanderhält und sie zugleich vorwärtsführt. Ob dann irgendwann der Augenblick wieder da ist, das in einem großen Konzil zu machen, das sollten wir der Zukunft überlassen."

...einen möglichen Amtsverzicht des Papstes: "Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten."

 

Der Papst und Peter Seewald bei der Übergabe des Buches. Foto: L'Osservatore Romano

 

 

 

 

 


Benedikt XVI.: Licht der Welt. Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit. Ein Gespräch mit Peter Seewald, Freiburg i.Br. 2010. Verlag Herder, 255 Seiten, 19,95 Euro.