Perfekte Rettung in Chile - Kumpel in guter Verfassung

Perfekte Rettung in Chile - Kumpel in guter Verfassung
Die Welt feiert mit Chile: Alle 33 Kumpel haben nach der spektakulären Rettung ihre Familien wieder in die Arme geschlossen. Noch werden die Männer im Krankenhaus untersucht. Ihre Ärzte sind erstaunt, wie gut es ihnen nach all den Strapazen geht.

Die Kumpel in Chile haben das Martyrium unter Tage körperlich fast unversehrt überstanden, doch bis zur Normalität ist es für sie noch ein weiter Weg. Nach ersten Untersuchungen sind die 33 Männer erstaunlich fit, ihre Ärzte zeigten sich am Donnerstag im Krankenhaus überrascht von der guten Verfassung. Zwei oder drei Kumpel könnten im Laufe des Tages möglicherweise entlassen werden, sagten die Mediziner. Nach Einschätzung des Marburger Psychosomatikers Wolfram Schüffel würden Spätfolgen allerdings meist unterschätzt.

Am späten Mittwochabend (Ortszeit) war der letzte der 33 verschütteten Männer aus dem Stollen nach oben gezogen worden, in dem die Minenarbeiter 69 Tage lang in mehr als 600 Metern Tiefe gefangen waren. Noch nie hatten Bergleute so lange unter Tage ausharren müssen. Die perfekt organisierte Rettungsaktion dauert nur 22 Stunden und 39 Minuten. Die Bergung verlief reibungslos und ging viel schneller als erwartet - ursprünglich hatten die Einsatzkräfte mit bis zu zwei Tagen gerechnet.

"Willkommen zurück im Leben"

In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa sagte Schüffel, dass sich nach einer derart traumatisierten Erfahrung Krankheiten wie Hochdruck, Infarkte und Infektionen entwickeln könnten. Daneben seien auch typische traumatische Krankheitsfolgen möglich. Schüffel: "Sie kommen jetzt in eine Welt zurück, die sich unbändig freut. Aber der Alltag fängt heute schon praktisch an. Sie müssen sich zurecht finden. Da werden enorme Anpassungsforderungen an den einzelnen Organismus gestellt (...)."

Die chilenischen Mediziner sagten, alle Bergleute seien "einem sehr hohen Stress-Level" ausgesetzt gewesen. Aber offensichtlich hätten sie die Belastungen gut weggesteckt. "Niemand hat einen Schock", sagte ein Arzt bei einer Pressekonferenz in der Stadt Copiapó. In das dortige Krankenhaus waren die Kumpel gebracht worden. "Die gute gesundheitliche Verfassung, in der sie sich befinden, ist eine Überraschung für das Ärzteteam." Lediglich einer der Männer habe "mittlere Probleme" mit den Augen. Ein anderer Kumpel werde mit Antibiotika wegen einer "Lungen-Komplikation" behandelt.

Als letzter Kumpel war der Schichtführer und "Boss" genannte Bergarbeiter Luis Urzúa Iribarren der Phönix-Rettungskapsel entstiegen. Er hatte in der Tiefe entscheidend zum Zusammenhalt der Gruppe beigetragen. Er wurde mit frenetischem Jubel empfangen und vom sichtlich ergriffenen Präsidenten Sebastián Piñera umarmt. "Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt"", sagte Piñera. Der Staatschef harrte am Ausgang des Rettungsschachtes aus und begrüßte die Kumpel mit den Worten: "Willkommen zurück im Leben."

Sektkorken und Nationalhymne

Weltweit verfolgte die Öffentlichkeit das Schicksal der Verschütteten. Nach Schätzungen chilenischer Medien bangten eine Milliarde Menschen mit den Kumpeln und ihren Familien. Aus allen Teilen der Welt trafen Glückwünsche ein: Russlands Präsident Dmitri Medwedew und Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez gratulierten.

Zweieinhalb Stunden nach dem letzten Kumpel Urzúa kam auch der letzte von sechs Erstrettern wieder nach oben. Die zunächst im Schacht verbliebenen Retter hielten Minuten nach der Bergung von Urzúa ein Schild in die unterirdisch installierten Kameras. Darauf stand: "Mision cumplida. Chile" (Mission erfüllt. Chile). Auf der Oberfläche knallten Sektkorken und die Menschen sangen die Nationalhymne. Als letzter Retter kam Manuel Gonzalez am Donnerstag um 00.32 Uhr Ortszeit (05.32 Uhr MESZ) aus dem Schacht.

Präsident Piñera dankte den Kumpel für ihre Ausdauer und den Rettern für deren unermüdlichen Einsatz. "Chile ist heute nicht mehr das gleiche Land wie vor 69 Tagen", sagte er. Das Land sei nun geeinter und stärker und werde in der Welt mehr respektiert und geschätzt. Die Bergleute hätten ein leuchtendes Beispiel von Mut, Loyalität und Kameradschaft gezeigt.

Kleine Bergwerke gelten als unsicher

Jede Ankunft wurde von den Familien gefeiert. Es spielten sich bewegende Szenen ab. Viele Kumpel dankten Gott für ihre Rettung und trugen T-Shirts mit der Worten "Gracias Senor, thank you Lord" (Danke Herr). Dann folgte ein Auszug aus Psalm 95 der Bibel: "In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge" und zum Schluss: "Ihm gehören Ehre und Ruhm."

Vor allem kleinere und mittlere Bergwerke wie die Unglücksmine in San José gelten als unsicher. Nach Schätzungen des Internationalen Verbands der Bergbaugewerkschaften kommen jedes Jahr mindestens 12.000 Kumpel weltweit bei ihrer Arbeit ums Leben. In Deutschland sieht die Gewerkschaft IG BCE keine Gefahr für Grubenunglücke. Die hiesigen Sicherheitsbestimmungen seien weltweit vorbildlich.

Die Filmstory könnte Hunderttausende wert sein

Die 33 Männer hatten seit dem 5. August in der Kupfer- und Goldmine in der Atacama-Wüste rund 800 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago festgesessen. Um mit den knappen Ressourcen auszukommen, aßen sie in den ersten Tagen lediglich alle zwei Tage zwei Löffel Thunfisch. Erst nach 17 Tagen konnte die Gruppe ein Lebenszeichen absetzen und wurde danach durch enge Röhren mit Lebensmitteln, Trinkwasser, Kleidung, elektronischen Geräten und Klappbetten versorgt.

Ihre Geschichte interessiert längst auch Hollywood: Der Wettlauf um die Sicherung der Film-, Fernseh- und Buchrechte für das Minendrama hat bereits begonnen. Das US-Branchenblatt "Broadcasting & Cable" berichtete, dass die Story Produzenten Hunderttausende Dollar wert sein könnte. Der spanische Filmstar Javier Bardem werde bereits als Wunschkandidat gehandelt, verlautete aus Hollywood.

dpa