Russland kämpft gegen mächtige Feuerwalze

Russland kämpft gegen mächtige Feuerwalze
Eine Feuerwalze hat in Russland zahlreiche Dörfer in Schutt und Asche gelegt. Jetzt sind auch Städte bedroht. Rund um die Uhr kämpfen Retter gegen die Flammen, die ein Zentrum für Atomforschung bedrohen. Unterdessen wittern Profiteure ihre Chance.
03.08.2010
Von Wolfgang Jung und Ulf Mauder

Mindestens 40 Tote und hunderte Verletzte, verkohlte Dörfer, erschöpfte Helfer: Die verheerenden Wald- und Torfbrände in Russland sind die schwerste Naturkatastrophe im Riesenreich seit Jahrzehnten. "Höllenfeuer: 50 Meter hohe Flammen", titelten Moskauer Zeitungen am Montag. Sogar Satellitenbilder zeigten die Rauchschwaden im europäischen Teil des Landes. Kremlchef Dmitri Medwedew verhängte in sieben Regionen des Landes den Ausnahmezustand und verfügte die Sperrung der Waldgebiete für "Unbefugte".

40 Menschen verloren bisher ihr Leben

Gegenwärtig gebe es 7.000 Brände verschiedener Größe, sagte der Leiter des nationalen Krisenzentrums, Wladimir Stepanow. Nach offiziellen Angaben verloren bisher 40 Menschen ihr Leben. Von Moskau seien die Brände noch zehn Kilometer entfernt, hieß es. Weite Teile der Hauptstadt waren durch den beißenden Brandrauch in einen dichten Nebel gehüllt. Landesweit kämpfen hunderttausende Einsatzkräfte gegen die Feuersbrunst. Rekordhitze und Trockenheit würden noch Tage andauern, sagten Meteorologen.

Im erheblich zerstörten Dorf Lenkowo bei Moskau zogen die Helfer am Montag die Leichen von zwei Kindern aus den Trümmern. Auch in der am stärksten betroffenen Region Nischni Nowgorod, etwa 400 Kilometer östlich von Moskau, starben fünf Menschen. Hunderte wurden verletzt, tausende verloren Hab und Gut. Dörfer sind in Schutt und Asche gelegt.

Nach Darstellung von Stepanow brennen rund 500.000 Hektar, das ist die doppelte Fläche von Luxemburg. Auch Biosphärenreservate wie in Rjasan, rund 200 Kilometer südöstlich von Moskau, seien ein Raub der Flammen geworden, sagte Stepanow nach einer Meldung der Agentur Interfax.

Erste Festnahmen von Brandstiftern und Plünderern

Der "Feuer-Orkan" bewege sich allmählich auch auf die 840.000-Einwohner-Stadt Woronesch etwa 500 Kilometer südlich von Moskau zu, berichtete das Staatsfernsehen. Im Raum Sarow nahe Nischni Nowgorod wurde die Zahl der Rettungskräfte verzehnfacht, um ein Zentrum für atomare Forschung zu schützen. Die Dürre hat landesweit große Teile der Ernte vernichtet. Der Schaden geht nach Schätzungen in die Milliarden.

Die Behörden meldeten erste Festnahmen von Brandstiftern und Plünderern, die versuchten, sich an der Katastrophe zu bereichern. In zerstörten Dörfern seien Männer festgesetzt worden, bei denen man Säcke mit gestohlenem Buntmetall gefunden habe, sagte ein Polizeisprecher. Zudem hätten zahlreiche Brandopfer versucht, die staatliche Einmal-Entschädigung mehrfach zu kassieren.

Krisensitzung in Moskau

Bei einer Krisensitzung in Moskau forderte Regierungschef Wladimir Putin die Gouverneure der betroffenen Regionen auf, ihm einen genauen Wiederaufbauplan vorzulegen. Den Behörden war in den vergangenen Tagen Schlamperei vorgeworfen worden. Unter anderem sollen Brandschutzgräben nicht rechtzeitig angelegt worden sein. Zivilschutzminister Sergej Schoigu kündigte Nachbesserungen an. Die Regionen erhielten acht Flugzeuge zur Bekämpfung von Waldbränden.

Die Rettungskräfte würden "technisch und personell bis an ihre Grenzen gehen", sagte Putin. "Meine Leute sind erschöpft. Die meisten sind seit 72 Stunden auf den Beinen", bestätigte ein Einsatzleiter. Zur Verstärkung der etwa 2.000 Armee-Angehörigen und rund 240.000 zivilen Rettungskräfte befahl Medwedew weitere Soldaten in die Wälder. Bei Moskau und Nischni Nowgorod begannen Soldaten mit der Verlegung von Rohrleitungen, um Wasser in die Brandherde zu pumpen.

Menschliche und ökologische Katastrophe

In Berlin forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Bundesregierung auf, Russland "offensiver als bisher" technische Hilfe zur Bekämpfung der Brände anzubieten. "Wir erleben dort eine menschliche und ökologische Katastrophe - ähnlich wie vor Jahren in Griechenland", sagte Gabriel der Deutschen Presse-Agentur. Ein Regierungssprecher sagte dazu, Deutschland habe Russland bereits Hilfe angeboten.

"Es dauert mindestens fünf Jahre, bis die Natur zu etwa 50 Prozent wiederhergestellt ist", sagte ein Forstexperte. Er sei "fassungslos", welch riesige Waldfläche vernichtet worden sei. Russland erlebt eine Hitze und Trockenheit wie seit mehr als 130 Jahren nicht mehr. Die Temperaturen in Moskau sollen bis Ende der Woche auf mehr als 40 Grad Celsius steigen, sagten Meteorologen.

dpa