Ölpest: Wo sich Unfähigkeit und Profit treffen

Ölpest: Wo sich Unfähigkeit und Profit treffen
Um das Ölleck im Golf von Mexiko rankt sich eine Menge Unfähigkeit. Niemand kann das Öl bisher stoppen, nicht BP, nicht die US-Regierung. Sobald diese Katastrophe unter Kontrolle ist, müssen die Firmen stärker in die Pflicht genommen werden, auch unwahrscheinliche Risiken abzudecken.
25.05.2010
Von Hanno Terbuyken

Vor 33 Tagen, zwei Tage nach der Explosion an Bord, versank die Bohrinsel "Deepwater Horizon" im Meer. Seitdem sprudelt Öl aus der unterseeischen Testbohrung in anderthalb Kilometern Tiefe und verseucht den Golf von Mexiko. Das Öl ist inzwischen an den Küsten angekommen und wird und wird nicht weniger.

Wie viel da sprudelt, weiß auch niemand so genau. BP und die "National Oceanic and Atmospheric Administration" (NOAA), die Behörde, die auf Regierungsseite den Einsatz koordiniert schätzen die Menge auf 5.000 Barrel pro Tag, Das sind grob geschätzt 795.000 Liter Öl täglich, aber amerikanische Geologen sagen (laut CNN und Washington Post), die Zahl könnte fünf- bis zehnmal so hoch sein. Angeblich pumpt BP aber täglich 5.000 Barrel Öl aus dem Leck ab, die Gesamtmenge muss also höher sein, sonst flösse kein Öl mehr ins Meer. Die genaue Zahl weiß niemand.

BP schafft es nicht, die Regierung kann es nicht

Seit Wochen schon versucht BP, das aufgerissene Bohrloch irgendwie zu stopfen. Die Firma versucht es mit ölzersetzenden Chemikalien, mit großen oder kleinen Stahlglocken, mit Golfbällen und zerschnittenen Autoreifen oder mit künstlichem Schlamm, der dichter ist als Wasser und das Öl unten halten soll, damit das Leck mit Zement komplett abgedichtet werden kann. Ob das klappt, weiß man nicht so genau. (Bisher hat nichts funktioniert.)

[linkbox:nid=18391,16994;title=Fotogalerien zur Deepwaterkatastrophe]

Die Regierung Obama hat bereits damit gedroht, BP den Fall wegzunehmen und selbst zu versuchen, das Leck zu stopfen. Aber ihr fehlt das technische Wissen. "Man muss sich klarmachen, dass diese Art von Arbeit, die sie da in der Tiefsee machen, noch nie zuvor versucht wurde", sagt Marcia McNutt, Leitern des "United States Geological Survey", der wissenschaftlichen Behörde des Innenministeriums, die sich mit allen Fragen rund um Geologie und Kartografie befasst. Gegenüber CNN erklärte McNutt außerdem, dass die Erwartungen anfangs möglicherweise zu hoch waren, weil man erstmal Ausrüstung besorgen und neue Geräte herstellen muss, die auch noch nie in diesen Tiefen eingesetzt wurden. Tiefseetaugliche Geräte gibt's zwar beim Militär, aber die sind nicht besser als die privat bereits eingesetzten Tauchroboter. Und das Pentagon weiß schließlich auch nicht, wie man ein Ölleck im Meeresboden schließt.

Niemand weiß das.

Das ganze Desaster ist ein katastrophales Beispiel dafür, wie wenig sich Ölfirmen um die langfristigen Folgen ihres Handelns scheren. Sicherheit vs. Profit: Diese Gleichung geht ab einer gewissen Marge immer zugunsten des Profits aus. Im Falle von Deepwater Horizon hat die eigentliche Sicherheitsmaßnahme, der "Blow-Out-Preventer", versagt. Das war dann aber auch die einzige Absicherung. Den größen anzunehmenden Unfall zu testen und sich darauf vorzubereiten, auch wenn er nie eintritt, ist den Firmen zu teuer.

Sicherheit ist teurer als Risiko

[listbox:title=Begleitlinks im Netz[Homepage der United States Geological Survey##Profil von Marcia McNutt##Wikipedia-Eintrag zur Bohrsicherheit##Das Problem mit der Vulkanasche (ICAO 2005)]]

Und das gilt nicht nur für Ölfirmen. Fluggesellschaften beispielsweise haben sich dem Problem Vulkanasche erst nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans zugewandt – dabei existiert seit 1994 eine Arbeitsgruppe Vulkanasche der internationalen Flugverkehrsbehörde ICAO. Aber das Risiko war den Fluggesellschaften zu obskur. Kevin Knight, Vorsitzender der Internationalen Organisation für Standardisierung (ISO), die auch eine Richtlinie für Risiko-Management hat, schrieb dazu: "Der Ascheausbruch […] ist ein klassisches Beispiel eines Ereignisses mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber schweren Konsequenzen, das vom Management übersehen wird, wenn es potentielle Risiken für die Firmenziele untersucht."

Man will also gar nicht wissen, was man tun sollte. Das darf nicht so bleiben. Die Unfähigkeit von BP und Kollegen, das Ölleck zu stoppen, bedeutet nämlich auch: Es hat noch nie jemand darüber nachgedacht, wie man so einen Unfall bewältigen könnte. Denn das kostet Zeit und Geld, die lieber dem Profit zukommen sollen. Pläne für den unwahrscheinlichen Notfall in der Schublade zu haben, ist unprofitabel. Von der Verantwortung gegenüber der Umwelt ganz zu schweigen, für die Ölfirmen nicht gerade bekannt sind.

Geld kann kein Argument sein

Es bleibt nur zu hoffen, dass nicht nur die USA, sondern die ganze Welt Ölfirmen kollektiv in die Pflicht nehmen, zum Beispiel eine gemeinsame "Ölfeuerwehr" für die Weltmeere zu schaffen, die Notfallpläne erdenkt und testet. Natürlich geht das gegen die Wirtschaftlichkeit dieser Firmen. Aber: Wenn BP fast 30 Milliarden Dollar im Jahr einnimmt, kann das Geld kein Argument sein. So eine Katastrophe darf nicht passieren.

Wie es schließlich gelingen wird, den Ölfluss zu stoppen, ist nach wie vor unklar. Vielleicht läuft es doch auf den Vorschlag der Russen hinaus: Die werfen einfach Atombomben auf Öllecks, dann sind die Dinger dicht. Das hat zu Sowjetzeiten ja auch funktioniert. Den Fallout stellen wir dann BP in Rechnung.


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de, zuständig für die Ressorts Gesellschaft und Wissen, und schreibt das Blog "Angezockt".