Berufsziel: Facebookpfarrer.

Berufsziel: Facebookpfarrer.
Mark Zuckerberg fordert die Facebook-Mitglieder auf, sich mehr wie Pfarrer zu verhalten.

„Benehmt euch doch mal mehr wie Pfarrer!“ - so ähnlich äußerte sich Mark Zuckerberg, der berühmte Chef des sozialen Netzwerks Facebook, bereits im Juni. Nanu? Sollen wir jetzt alle auf Facebook Hochzeiten und Gottesdienste feiern? (apropos, gab es da nicht mal so einen Trend der „Facebook-Hochzeit“ zwischen Freunden? Ist schon ein paar Jährchen her. Vielleicht war das aber auch noch auf dem antiken wer-kennt-wen oder so. Oder gar auf Knuddels.)

Nein, er meint etwas ganz anderes. Ihm geht es natürlich erst einmal ums Geschäft und um die Art der Facebook-Nutzung. Die Mitglieder sollen sich verstärkt in Gruppen engagieren, statt einfach nur so unkontrolliert vor sich hin zu facebooken. Und solche Gruppen: Die brauchen einfach Verantwortliche, die für die gute Stimmung sorgen. „Communities give us that sense that we are part of something bigger than ourselves“ meint Zuckerberg, also: Gemeinschaften geben uns das Gefühl, dass wir Teil von etwas Größerem sind. Ja, da sind wir natürlich irgendwie tatsächlich bei christlichen Gemeinschaften. Schließlich reden wir auch von etwas Größerem. Besser gesagt: Von jemand Größerem. Wir nennen ihn Gott.

Ganz so weit will Zuckerberg dann doch nicht gehen. Ihm geht es nur darum, dass Facebook-Gruppen einen besseren Platz im Facebook-System bekommen – und dass es Menschen gibt, die sich dafür verantwortlich fühlen, so wie sich auch Pfarrer/innen für ihre Gemeinde verantwortlich fühlen „und ihnen Essen und Schutz (food and shelter) bieten“. Äh, ja? Gut, dann werde ich mal für meine Gemeinde einkaufen gehen und kochen. Und meine Schäfchen vor dem bösen Wolf schützen. Bin mir nicht so ganz sicher, was Mark damit wohl gemeint haben könnte. Na ja, eigentlich doch: Eben, dass sich jemand verantwortlich fühlt.

Mal ganz abgesehen davon, dass bei uns Evangelischen eigentlich der Kirchenvorstand/Kirchengemeinderat/das Presbyterium oder wie auch immer die Verantwortung für die Gemeinde trägt, ist es natürlich schon so, dass in der öffentlichen Wahrnehmung der Pfarrer oder die Pfarrerin meist ganz an der Spitze steht und für das Wohlergehen der Facebook-Gruppe sorgt. Äh nein, für das Wohlergehen der Gemeinde natürlich. Kommt man ja schon ganz durcheinander hier.

Etwas anderes wäre aber vielleicht eine ganz gute Idee, und darauf könnte die Erwähnung von Pfarrern ja auch hinweisen: Das Gebet! Wie wäre es, alle Facebook-Benutzer zu verpflichten, vor jedem Post ein kurzes Gebet zu sprechen? Eine kleine Checkbox, ähnlich der im Internet allgegenwärtigen „Ich stimme den AGB zu“ mit der Beschriftung „Ich habe gebetet und (mein) Gott ist der Meinung, dass ich das hier wirklich so schreiben kann.“ Möglicherweise würde das die Zahl der Hasskommentare drastisch reduzieren. Nee, ist vielleicht auch keine so gute Idee, wenn ich da an den IS denke. Auch Atheisten wären da außen vor. Allerdings gab es vor kurzem den Denkanstoß, vor jedem Post erst einmal zu überlegen, ob man den am Abend auch dem Ehepartner, den Kindern oder Eltern vorlesen könnte, ohne sich dafür zu schämen. Das ist ja in der Tat so ähnlich. (Leider ist es mir nicht gelungen, die Quelle dieses Vorschlags wiederzufinden.)

Angesichts der vielerorts festgestellten Verrohung der Kommunikation in den sozialen Medien frage ich mich aber auch, ob die Gruppenfunktion von Facebook wirklich der richtige Weg ist, diese Welt (oder auch nur die Facebook-Welt) zu einer besseren Welt zu machen. Schließlich leben wir alle schon mehr oder weniger in unserer eigenen Filterblase (auch wenn die Deutschlehrerin meiner Tochter noch letztes Jahr behauptete, das Wort gebe es nicht). Wir umgeben uns – völlig natürlich – hauptsächlich mit Gleichgesinnten. Irgendwann sind wir der Meinung, die ganze Welt denke wie wir, denn andere Meinungen kommen in unserem kleinen Kosmos nicht mehr vor. Diese Gefahr bestand natürlich schon vor der Erfindung von Facebook und nannte sich „Stammtisch“, doch ist es im Internet noch viel einfacher, sich nur mit Menschen zum umgeben, die genau so ticken wie man selber. Tauchen wir nun noch ab in spezielle Interessengruppen, gibt es praktisch gar keine Möglichkeit mehr, andere Positionen überhaupt wahrzunehmen. Na ja, in manchen christlichen Gemeinden dürfte das auch durchaus ähnlich sein …

Und die Aufgabe des Pfarrers, der Pfarrerin in der Gemeinde? Auch wenn es heute viel Verwaltung und Kleinkram ist, sehen die meisten Menschen die Hauptaufgabe wohl weiter in der Seelsorge und der Predigt. Also darin, den Menschen Gottes Liebe zuzusprechen. Für eine bessere, liebevollere, ja: erlöstere Welt zu sorgen. Weit über die Grenzen der eigenen Filterblase hinaus. Das wiederum ist in der Ortsgemeinde nicht anders als im Internet. Und da können Sie alle mitmachen, Pfarrer/in oder nicht, Christ/in oder nicht. Gerade auch gegen die Hassbotschaften: Lassen Sie uns einfach mit Liebe darauf antworten, Kolleginnen und Kollegen.

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