Die fünf Heiligen Drei Könige

Die fünf Heiligen Drei Könige

Ding dong! So ein Mist. Wer ist denn so früh schon an der Tür, noch dazu an einem Feiertag? Ja, ich weiß, Epiphanias („Erscheinung des Herrn“) ist auch ein evangelischer Feiertag, aber den Gottesdienst um 9:30 hat der Kollege übernommen, während ich ihm gerne die schwere und verantwortungsvolle Aufgabe des lang Ausschlafens und spät Frühstückens abgenommen habe. Ungeduscht, mit wirren Haaren, barfuß und im T-Shirt öffne ich die Tür – und sehe mich einem großen Stern gegenüber, der mir auf Augenhöhe die Sicht verstellt. Dann hebt ein engelsgleicher Gesang an, wobei mir als Evangelischem recht unbekannte Düfte in die Nase strömen. Während die Kinder ihre jeweils sehr individuellen Interpretationen ihrer Lieder zum besten geben (jeder ein bisschen anders, aber meistens hören sie doch irgendwie gemeinsam auf), zähle ich im Stillen mit: Ja, es sind wirklich fünf. Den Sternträger noch nicht mal mitgezählt. Caspar, Melchior, Balthasar – und wer noch? Keine Ahnung. Sie wollten halt einfach zu fünft gehen. Die fünf Heiligen Drei Könige. Mittlerweile habe ich mich ein wenig von dem Schock erholt und bitte die Kinder in die Diele, wo sie weihrauchschwenkend an der Tür ihr Segenszeichen anbringen. 20*C+M+B+10 steht nun da. Na ja, meistens wird nur die Jahreszahl weggewischt und eine neue hingeschrieben, denn natürlich bleibt dieses Zeichen das ganze Jahr an unserer Tür.

Gerne gebe ich ihnen eine Spende mit, denn ich weiß, dass sie für sinnvolle Projekte sammeln. Über 3000 Entwicklungsprojekte unterstützt die Aktion Dreikönigssingen jedes Jahr. Fast 40 Millionen Euro sammeln die 500.000 Sternsinger. In diesem Jahr ist das „Beispielland“, mit dem sie sich intensiver beschäftigen, der Senegal, geholfen wird aber an vielen Orten. Kinder helfen Kindern in der ganzen Welt – das finde ich eine wunderbare Aktion.

Irgendwie finde ich es bewegend, wie aus einem kleinen Satz in der Bibel so eine große „Geschichte“ wurde, die den meisten Menschen so gegenwärtig ist, dass sie denken, es stehe so in der Bibel. Weit gefehlt. Da steht zwar durchaus etwas drin. Aber eben weder die Namen der drei, noch dass es überhaupt drei waren. Und von Königen ist auch keine Rede. Das ist die Geschichte im Matthäusevangelium, Kapitel 2:

1 Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:
2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.
3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem,
4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.
5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1):
6 »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,
8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, dass auch ich komme und es anbete.
9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.
10 Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut
11 und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
12 Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.

Gold, Weihrauch und Myrrhe schenkten sie dem Kind – drei Geschenke. Daraus wurde später die Vorstellung, dass es drei Personen waren. Zufälligerweise kannte man zu dieser Zeit auch drei Erdteile, Europa, Asien und Afrika. So wurde jeder der drei einem Erdteil zugeordnet. Ach ja, und drei Lebensalter gibt's auch noch. Also ist einer jung, einer mittel, einer alt. Woher die Namen kamen, lässt sich heute nicht mehr wirklich sagen. Jedenfalls sind sie schon seit weit über tausend Jahren unter den Namen Caspar, Melchior und Balthasar bekannt. So wurde Melchior zum Senior der drei. Er hat einen weißen Bart, kommt aus Europa und ist der Legende nach derjenige, der das Gold überbringt, als Symbol für den Weisheitsschatz eines Königs. Dann kommt Balthasar, Asiate mittleren Alters mit vollem Bart. Er bringt den Weihrauch, das Zeichen für ergebungsvolles Opfer und Gebet. Der bartlose Jüngling Caspar aus Afrika, schwarze Hautfarbe, bringt die Myrrhe. Die ist, entgegen der Vermutung von Brians Mutter, nicht ansteckend. Es ist ebenfalls, wie Weihrauch, eine gut riechende Substanz und steht für die reinhaltende Kraft der Selbstbeherrschung.

Ach ja, das „C M B“. Klar, Caspar, Melchior, Balthasar. So wurde es Jahrhunderte, ja über tausend Jahre überliefert. Seit gut 50 Jahren, als die Sternsingaktion in der heutigen Form organisiert wurde, steht es für „Christus Mansionem Benedicat“. Christus segne dieses Haus. Na ja, die meisten Lateiner würden in diesem Zusammenhang ja eher „Domum“ statt „Mansionem“ sagen, aber egal. Und dann gibt es noch die Gegenden, in denen Caspar traditionell mit K geschrieben wird. Das K M B wird dann übersetzt mit „Kyrios Mansionem Benedicat“. Der Herr segne dieses Haus. Wobei Kyrios Griechisch ist und die anderen zwei Wörter Lateinisch. Aber egal. Hauptsache, es ist ein Segensspruch. Mir gefällt das.

Übrigens gibt es sogar eine ganz offizielle Schreibweise: 20*C+M+B+10. Ein Stern, der vorangeht. Drei Kreuze für die Trinität Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ich finde das ein schönes Symbol.

Die fünf Heiligen Drei Könige haben mittlerweile fertig gesungen. Der Weihrauch wird noch tagelang in unserer Diele zu riechen sein. Der Segensspruch über der Tür wird bis nächstes Jahr stehen bleiben. Ich stecke den Kindern noch ein paar Süßigkeiten zu. Als sie gehen, fühle ich mich gesegnet. Stilvoll gesegnet. Und gemeinsam haben wir auch noch Kindern in ärmeren Ländern geholfen. Ein guter Tag. Epiphanias. Der Herr ist mir erschienen.

 

 

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