Ecce Monchichi

Ecce Monchichi

Wir gestehen: Diesmal sind wir mit unserer Nachricht dem Hype ein wenig hinterher. Aber intensive Recherchen (räusper) über die Hintergründe des Geschehens brauchen nun mal ihre Zeit. Außerdem waren wir mit der Vorbereitung des epochemachenden Microsoft-Prozesses mehr als ausgelastet. Und das Wetter war so schön.

Was also ist da letzte Woche geschehen? Ein Äffchen jagte durch Twitter und Facebook. Nein, eigentlich war es ja Jesus höchstpersönlich, in einer Malerei aus dem 19. Jahrhundert. Das Werk mit dem Titel "Ecce homo" wird dem Künstler Elías García Martínez zugeschrieben und war bis vor kurzem in einer Kirche in der spanischen Ortschaft Borja bei Zaragoza zu bewundern.

Leider, leider hatte die Malerei in den letzten Jahrhunderten wohl ein wenig Farbe verloren. Ist doch nicht schlimm, dachte sich eine 80jährige Anwohnerin. Das haben wir gleich. Ein wenig Farbe – und alles ist wieder wie neu.

Das Ergebnis ist, wie sollen wir es nennen, einfach unbeschreiblich. Selten hat eine Kunstrestauration derartiges Echo weltweit hervorgerufen wie diese. Nicht nur spanische Medien berichteten über die eigenwillige Interpretation der Restauratorin. Weltweit landete ihr Werk in den Schlagzeilen der Presse. Selbst in unserem Blog ist es nun also zu finden – das restaurierte Bildnis „Ecce Monchichi“.

Die Fachwelt rätselt nach wie vor darüber, was die Künstlerin, die anonym bleiben möchte, uns damit sagen möchte. Aber ist nicht genau das der Sinn von Kunst? Dass die Menschen unsicher werden. Dass sie sich fragen: Was soll das? Dass sie verstört aufmerken, aus dem normalen Trott ausbrechen. Dass sie Facebook-Fanseiten gründen. Dass sie den Stil der Künstlerin nachahmen.

Eine Theorie besagt, dass die Künstlerin bis vor kurzem einen Affen als Haustier besaß. Bei deren Ableben machte sie sich viele Gedanken darüber, ob denn auch ihr Äffchen einen Platz im Himmel haben würde, und ob sie sich eines Tages dort wiedersehen würden. Ihre eindeutige Antwort: Ja! Auch Affen gehören dazu. Sie haben ihren Platz in der Kirche, genau wie Jesus auch.

####LINKS####Ob diese Theorie stimmt? Mittlerweile wurde die Dame jedenfalls zur Restauration unzähliger weiterer Werke eingeladen, denen sie ihren typischen Affenkopf verpassen durfte. Auf der Facebook-Fanseite finden sich Abbildungen vom letzten Abendmahl, vom „Schrei“, von Mona Lisa, sogar eine Szene aus „E.T.“ Im „Ecce-homo-Restaurator“ kann man sich selbst an dieser schwierigen Aufgabe versuchen. Online, natürlich. Ihre Facebook-Fanseite „Damen, die den Christus von Borja restaurieren“ hat 36.000 Fans. Eine ganz neue Stilepoche tut sich hier auf.

Und das alles nur, weil eine alte Dame ein bisschen helfen wollte.

Nun aber mal ganz im Ernst: So schade es um dieses Kunstwerk ist – mir gefällt der Mut dieser alten Frau. Sie hat einfach in die Hand genommen, was ihr nötig erschien. Mag sein, dass sie ihre Fähigkeiten maßlos überschätzt hat – aber es war gut gemeint. Und hat sie nicht auch Großes vollbracht? Wäre dieses Kunstwerk jemals von so vielen Menschen weltweit zur Kenntnis genommen worden, wenn sie es nicht „restauriert“ hätte? Auch in Borja strömen nun die Touristen zu der neuen Version des Bildes. Diskutieren. Lachen. Schütteln den Kopf. Beschäftigen sich, wenn auch auf leicht verquere Weise, mit Fragen des Glaubens.

Der Spott im Netz kann manchmal gnadenlos sein. Gut, dass Gott da anders ist. Ich glaube, er lächelt über diese Aktion – und klickt auf „Gefällt mir“.
 

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