Himmel und Erde und Wulff

Himmel und Erde und Wulff

"Es ist vorbei und nichts in der Welt wird es je wieder gutmachen können", sangen die Ärzte und eigentlich hätte ich erwartet, dass zumindest dieser Song als Vorschlag auf der Spottliste für den Zapfenstreich Wulffs auftaucht. "Es ist vobei, bye, bye, Junimond" wäre ja auch noch denkbar gewesen. Mich überraschte dann, dass "Da berühren sich Himmel und Erde" offiziell gespielt wurde.

Überrascht, weil die erste Strophe an anwendbarer Ironie eigentlich nicht zu wünschen übrig ist. War Wulff das bewußt? Vermutlich. "Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen und neu beginnen, ganz neu" ist einerseits ja relativ harmlos: Hier gehts um das Erkunden von neuen Wegen, die zu einer Berührung von Himmel und Erde führen. Um den Aufbrauch, um das Neue.

Andererseits scheint es auch als wollte Wulff sich - hier kann man ja nur spekulieren - von der eigenen Schuld distanzieren, denn schließlich hat er sich wirklich "vergessen" und hat Wege verlassen. Hat Dinge getan, die einem Politiker so nicht anstehen - auch wenn er sich entschuldigt hat, auch wenn er zum Schluss dann doch noch aus "politischen Motiven" und nicht aus persönlichen gegangen ist. Insofern ist das schon höchstironisch, wenn Wulff dieses Lied aussucht für seinen Zapfenstreich.

Abgesehen mal von der offensichtlichen Flucht in die Illusionswelt des Zauberers von OZ, auf eine Wolke, in eine Welt in der Probleme einfach so dahinschmelzen - manchmal sagen Lieder vielleicht doch mehr über das Innenleben eines Menschen aus als dem lieb sein kann. Wie dann die "Ode an die Freude" zu deuten ist? "Freunde, doch nicht diese Töne"? "Wem der große Wurf gelungen eines Freundes Freund zu sein"? Tja...

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