Ich habe unsichtbar in mir drin geweint vor Rührung und Dankbarkeit, während ich anderthalb Stunden lang ohne Unterbrechung Menschen mit Glitzer gesegnet habe: Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Die mir ihren Namen sagten und manche von ihnen auch, wofür sie Segen brauchen: für die Liebe, für den Abschied, für das Tochtersein, für die politische Lage, für den inneren Lausbub. Ihnen allen habe ich mit einem Pinsel erst Wimpernkleber, dann Glitzerplättchen auf die Wangen gestrichen und sie gesegnet, ihnen gesagt, dass sie wunderbar gemacht sind. Mit allen hatte ich einen kurzen Moment von Verbindung, von G*tt zwischen uns.
Ich habe im Kino lautlos und zitternd geweint - bei dem Film „Die Kinder aus Korntal“. Ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen, als im Film eine Frau erzählte, wie sie als Kind im Heim im „freien Gebet“ eine Reihe von Namen beten musste. Wie die Gruppenleiterin sie während des Gebets verprügelte, wenn sie einen Namen vergaß. Und das war erst der Anfang. Ich habe nach Luft geschnappt und hatte Tränen der Wut in den Augen, als ich im Film das große Gemeindezentrum sah, das sie in Korntal mit dem Geld eines mutmaßlichen Vergewaltigers bezahlt hatten und sich großzügig fanden, dass sie Betroffenen Kaffee anboten und 5000 Euro für Jahre der Gewalt und Ausbeutung. Und noch einmal hatte ich Wuttränen, als ich nach dem Film mitbekam, dass zwei der Protagonist*innen auf eigene Kosten zum Kirchentag angereist waren, ihr Hotel selber bezahlen mussten.
Und dann habe ich auch noch geweint auf die heilsame Art. Dieses Weinen, das ich habe, wenn etwas in mir wieder anfängt zu glauben.
So habe ich geweint, als Meinrad Furrer bei unserem Brot&Liebe Gottesdienst von all den kleinen Mutschritten sprach, die er in den Jahren seit seinem Comingout gemacht hatte, wie er es geschafft hatte, nie zu lügen oder sich zu verschweigen, in einer Atmosphäre des Dont-Ask-Dont-Tell in seiner katholischen Kirche - und wie es dann ganz einfach war, eine Bank regenbogenbunt anzumalen, sie auf einen Platz in Zürich zu stellen und dort queere Paare zu segnen, auch wenn der Vatikan es verboten hatte.
So habe ich geweint, als eine junge Frau mir ihr Baby in den Arm legte und sagte, es hieße mit Zweitnamen Magdalena wegen meines Textes über „Maria der Turm“ hier im Spiritusblog.
Auf heilsame Art habe ich geweint auf meinem Hocker zwischen vielen anderen, während ich Frauen zuhörte, die ich bewundere für ihre Klugheit und Klarheit und deren Worte mir ein Halt sind in meiner Haltlosigkeit: Christina Brudereck, Beatrice von Weizsäcker, Bettina Schlauraff und Mariann Edgar Budde. Ich habe geweint, weil ich fühlte: ich bin viel weniger allein, als ich oft meine.
Tränen der Rührung, der Heilung - und Tränen der Hilflosigkeit und Wut.
Womöglich gehören sie zusammen. Bestimmt.
Womöglich braucht es sie alle. Für das, was anders und neu werden muss.
Wochenaufgabe:
Weinen, wenns nötig ist. Und Ausruhen trotz allem nicht vergessen!