Betroffene haben den hannoverschen Landesbischof Ralf Meister für den Umgang mit dem Thema sexualisierter Gewalt beim zurückliegenden 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover kritisiert. Der Bischof habe das Thema zu wenig öffentlich sichtbar gemacht, wirft ihm die Betroffenenvertreterin Nancy Janz vor. Meister hob dagegen bei der Tagung der Landessynode am Donnerstag in Hannover das Engagement seiner Landeskirche für die Präsenz des Themas bei dem Christentreffen hervor. Er räumte jedoch auch ein, Fehler gemacht zu haben.
"Der Kirchentag in Hannover war ein Kirchentag, der den Themenschwerpunkt zu Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt sehr geweitet hat", sagte der Bischof vor dem Kirchenparlament. Er selbst habe sich, ebenso wie die hannoversche Landeskirche, stark dafür eingesetzt, dass der Themenschwerpunkt breiten Raum bei dem Großevent eingenommen habe und "bis dahin nicht vorhandene Formate" möglich geworden seien.
Janz setzt sich als Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die Aufarbeitung ein. Beim Kirchentag in Hannover gehörte sie zu den Projektleiterinnen mit Blick auf das Thema. In dieser Rolle habe sie den Bischof ausdrücklich gebeten, an Veranstaltungen wie einem Gottesdienst teilzunehmen. "Er war als Zuhörender geladen", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Das war mehr als ein Wunsch. Es war eine Erwartung." Für einen Kulturwandel in der Kirche stehe der Bischof nicht.
Meister sagte dazu in seinem Bischofsbericht: "Ich bedaure sehr, dass ich den Gottesdienst nicht besuchen konnte." In der Aussprache zu dem Bericht fügte er an: "Das ist eine Situation, die nicht hätte passieren dürfen."
Janz hatte ihre Kritik in einem Brief an Meister deutlich gemacht und von weiteren Betroffenen Unterstützung erhalten. "Es vermittelt den Eindruck, Sie nutzen Ihr Amt vornehmlich zur Pflege Ihres öffentlichen Images, während Sie die existenziellen Anliegen von Betroffenen sexualisierter Gewalt ausklammern", heißt es in dem Schreiben, das sie auch an einen Unterstützerkreis weitergeleitet hat. Meister war bereits im vergangenen Jahr von Betroffenen für seinen Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt kritisiert worden.
Auch in der Synode wurden Forderungen nach mehr Sensibilität im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt geäußert. Es habe zwar deutliche Verbesserungen im Umgang mit dem Thema gegeben, auch mit Blick auf den Kirchentag, sagte die Synodale Karin Köhler. "Das alles reicht aber nicht, wenn die Priorität bei diesem Thema nicht so gesehen wird, wie wir sie als Landessynode sehen wollen." Der Synodale Johannes Keymling sprach von einem "symbolhaften" Fehler. "Wir tun aus unserer Sicht sehr viel", sagte er. "Trotzdem passieren immer wieder Dinge, die bei den Betroffenen zu Irritationen oder Verletzungen führen."