Klosterleben war für Frauen attraktiv

Heilige Hildegard von Bingen mit einem Federkiel in der rechten Hand
© epd-bild/Rainer Oettel
"Wenn sie sich nach außen gewendet haben, wie zum Beispiel Hildegard von Bingen, dann hatte ihre Stimme großes Gewicht", erläutern die Autorinnen des Buches ""Unerhörte Frauen - Die Netzwerke der Nonnen im Mittelalter".
Buch über "Unerhörte Frauen"
Klosterleben war für Frauen attraktiv
Das Leben im Kloster war im Mittelalter für Frauen durchaus attraktiv. Die Frauen dort seien gebildet und selbstbewusst gewesen, sagte die Düsseldorfer Historikerin Eva Schlotheuber im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Für das jetzt erschienene Buch "Unerhörte Frauen" hat sie Briefe und Tagebücher ausgewertet, gemeinsam mit der Germanistin Henrike Lähnemann, die in Oxford deutsche Literatur des Mittelalters lehrt. "Die Frauen, die in Klausur hinter Klostermauern lebten, waren abgeschieden und wurden nicht gehört und auch nicht gesehen", erläuterte sie: "Aber gleichzeitig waren sie auch unerhört wirksam, indem sie eine Vorbildstellung in der Gesellschaft eingenommen haben." So seien einige der Nonnen durchaus einflussreich gewesen, betonte die Historikerin. "Wenn sie sich nach außen gewendet haben, wie zum Beispiel Hildegard von Bingen, dann hatte ihre Stimme großes Gewicht."

Die Klöster seien die einzigen Orte gewesen, an denen auch Frauen zu Bildung gelangen konnten. Oft kamen Mädchen schon in jungen Jahren in die Klöster, wie Schlotheuber erläuterte. "Und zwar deswegen, weil sie dort ausgebildet wurden und das Leben im Konvent sehr anspruchsvoll war. Die Mädchen mussten Latein lernen, um die Liturgie zu verstehen." Sie seien gebildet gewesen und darum auch gefragte Ratgeberinnen für ihre Familien.

"Das geistige Leben hat den Frauen eine angesehene und attraktive Alternative zur Ehe geboten. Das bedeutete auch eine gewisse Freiheit", sagte Schlotheuber. "Das Kloster bot ein relativ selbst bestimmtes Leben in einer Gemeinschaft." Darum hätten sich die Nonnen auch lange der Reformation widersetzt, die ihren Lebensstil infrage gestellt haben. Für das Buch werteten Schlotheuber und Lähnemann unter anderem historische Briefe aus, von denen 1.800 aus den Jahren 1460 bis 1540 im Kloster Lüne in Lüneburg gefunden wurden.

Das Kloster Lünen wird heute noch von einem Konvent evangelischer Frauen bewohnt.

Bis heute könne man von den Klosterfrauen des Mittelalters lernen, unterstrich die Historikerin. "Eine große Klugheit hat darin bestanden, wie man mit dem Tod umgegangen ist und mit Krankheit." Anders als heute sei der Tod nicht an den Rand gedrängt worden. "Die Gemeinschaft hat die Sterbenden begleitet." Auch beim Recycling seien die Nonnen vorbildlich gewesen. Ein Beispiel dafür sei das Tagebuch einer Nonne aus dem Heilig-Geist-Kloster in Braunschweig gewesen. "Sie hat vom Pergament eines Gebetsbuches den alten Text abgeschabt, um darauf die Ereignisse ihres Lebens notieren zu können."