Kirchentag 2023 ohne Nakba-Ausstellung

Elisabeth Raiser
© epd-bild/Friedrich Stark
Die evangelische Präsidentin des Ökumenischen Kirchentages, Elisabeth Raiser, ist empört über das Verbot der Nakba-Ausstellung auf dem kommenden Kirchentag in Nürnberg. Die Darstellung des arabischen Angriffskriegs auf Israel 1948 sei in dieser alten Ausstellung einseitig, sagen wiederum Befürworter des Verbots. (Archivbild)
Protestbriefe gegen Präsidium
Kirchentag 2023 ohne Nakba-Ausstellung
Im Präsidium des Kirchentages wurde der Beschluss einstimmig gefasst. Die Nakba-Ausstellung darf nicht gezeigt werden. Diese Entscheidung trifft auch auf Widerspruch - einige Kritiker melden sich nun zu Wort. Andere sehen in der Ausstellung aus dem Ende der 1990er Jahre eine Verharmlosung des arabischen Angriffskrieges gegen Israel von 1948.

Seit fast 20 Jahren wird am 15. Mai der so genannte Nakba-Tag begangen. Ins Leben gerufen hatte ihn noch 2004 Jassir Arafat, Chef der PLO und damaliger Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete, um dem Tag der Staatsgründung Israels am 14. Mai einen eigenen Gedenk- und Protesttag entgegenzusetzen. Nakba meint "Katastrophe", die Flucht und Vertreibung von mehr als 700.000 Arabern im Mai 1948 aus dem neuen jüdischen Staat.

Die Nakba war bislang auch ein Thema auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag. Die so genannte Nakba-Ausstellung des Vereins "Flüchtlingskinder im Libanon" aus Pfullingen durfte auf allen Kirchentagen seit 1999 gezeigt werden. Nur 2011 in Dresden war das aus Platzmangel auf dem Markt der Möglichkeiten nicht möglich. Nun aber wurde erstmals ein Verbot dieser Ausstellung ausgesprochen.

Elisabeth Raiser, früher selbst Präsidentin des Evangelischen Kirchentages, zeigt sich empört, dass auf dem kommenden Kirchentag in Nürnberg schon im Vorfeld Verbote ausgesprochen werden. "Es geht eigentlich mehr ums Prinzip. Dass, wenn man eine Ausstellung ablehnt, das begründen muss", sagt sie.

Daher hat Elisabeth Raiser zusammen mit anderen engagierten Christen einen offenen Protestbrief an das Kirchentagspräsidium geschrieben. Mit unterschrieben hat auch Andreas Zumach, einst einer der Sprecher der Friedensbewegung.

Fehlende Kommunikation

Zumach gehört zu denen, die schon auf früheren Kirchentagen aktiv waren. Das, was jetzt geschehe, sei in früheren Zeiten aber undenkbar gewesen. Denn früher gab es sogar regelrechte Konflikte, aber immer habe es einen Dialog gegeben. Etwa darüber, ob die Friedensdemonstration bei dem 1983er-Kirchentag in Hannover lila Tücher mit dem Aufdruck "Nein ohne jedes Ja gegen Atomwaffen" zeigen durfte.

Auf Nachfrage sagt die Generalsekretärin des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Nürnberg, Kristin Jahn, nichts über die Kommunikation mit kritischen Briefeschreibern. Wohl aber etwas zum Verein Flüchtlingskinder im Libanon.

Nakbar-Ausstellung - bewusst auf Einseitigkeit gesetzt?

"Der Verein ‚Flüchtlingskinder im Libanon‘ weist auf seiner Homepage von sich aus selbst darauf hin, dass sie eine bewusste Einseitigkeit in der Ausstellung gewählt haben. Wir halten die Einseitigkeit nicht für dialogbereit und zudem zeigt sich seit Jahren, dass die Ausstellung einer Überarbeitung bedarf. Diese Ausstellung ist der Überarbeitung immer noch schuldig geblieben", sagt Jahn.

Die Erste Vorsitzende des Vereins "Flüchtlingskinder im Libanon", Ingrid Rumpf, weist diese Aussage brüsk von sich. Ihr Verein wolle keine Einseitigkeit oder gar palästinensische Propaganda betreiben. Sie weist wie früher schon weiterhin auf die Seriosität ihrer Ausstellung hin: "Die Ausstellung besteht aus 13 Texttafeln und eine Tafel befasst sich mit dem israelisch-arabischen Krieg. Da steht, dass die arabischen Staaten den Krieg erklärt haben. Es sind die Stärken der verschiedenen Armeen aufgeführt. Also mehr kann man wirklich nicht machen."

Zumal die Nakba-Ausstellung seinerzeit vom Evangelischen Entwicklungsdienst und der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg gefördert worden sei. Gebe es eine Verfälschung der Geschichte, hätten beide Einrichtungen die Ausstellung niemals gefördert, erklärt Ingrid Rumpf.

Staffa: Arabischer Angriffskrieg werde in Ausstellung verharmlost

Trotzdem gibt es Kritiker. Der EKD-Antisemitismusbeauftrage Christian Staffa, der auch Vorstandsmitglied der AG Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag ist, hat sich die Nakba-Ausstellung genau angeschaut. Er findet eine Reihe von Fehlern. "Es wird behauptet, der Angriff der arabischen Staaten 1948 sei knapp hinter den Grenzen des neuen Staates Israel zum Stoppen gekommen. Ja wollten die eine Friedensmission? Natürlich wollten sie diesen Staat vernichten. Dieser Angriffskrieg der arabischen Staaten wird völlig verharmlost", sagt Staffa.

Weiter würde der palästinensische Terror gegen Juden völlig verharmlost oder gar verschwiegen, etwa das Massaker an Juden 1929 in Hebron. Zudem betreibe die Nakba-Ausstellung regelrecht eine Geschichtsfälschung:
"Es gibt eine Landkarte von 1878 mit Palästina und dem Norden Libanon, im Osten Syrien und Jordanien. 1878 gab es noch keines dieser Länder. Warum wird es so abgebildet? Weil auf eine subtile Art gesagt wird: Da sind schon lauter Nationen gewesen und Israel bricht da sozusagen als Nation neu rein."

Dass Palästinenser im Nahen Osten oft in einer prekären Situation lebten und Hilfe bedürften, sei unstrittig. Aber das sei ein Thema etwa mangelnder Integration in den Aufnahmeländern, zum Beispiel im Libanon. Nur das sei doch kein Argument für eine schlechte bis falsche Ausstellung, meint Staffa.

Ausstellung sei "gefährlich in der Manipulation von Information"

So ähnlich sieht das auch Deidre Berger. Sie leitete einst das Büro des American Jewish Comittee in Berlin und arbeitet heute beim Tikvah Institut mit, das antisemitische Narrative aufdecken und bekämpfen will. Sie bleibt bei ihrer schon vor Jahren geäußerten Kritik. "Organisationen wie der Verein ‚Flüchtlingskinder in Libanon‘ sind nicht darauf orientiert, einen Dialog anzufangen. Der Verein verfolgt ein Narrativ, dass ausschließlich die Palästinenser als die rechtmäßigen Bewohner von Israel zeigt. Das ist eine außerordentlich einseitige Präsentation. Es ist sehr verhetzend und außerordentlich einseitig und gefährlich in der Manipulation von Information", sagt die amerikanisch-jüdische Expertin.

Deidre Berger sieht eine zu einseitige Darstellung: Einerseits die unterdrückten vertriebenen Palästinenser, andererseits die militärisch überlegenen aggressiven Israelis. Die Wahrheit aber sei komplizierter.

Ingrid Rumpf wirft ihren Kritikern aber vor, die Ausstellung nicht richtig angeschaut zu haben. Auf keinen Fall solle es darum gehen, dem jüdischen Staat sein Existenzrecht abzusprechen. So sieht das auch Elisabeth Raiser. Die Nakba-Ausstellung lasse durchaus auch Kritik an Palästinensern zu, meint sie. Etwa, dass sich palästinensische Großgrundbesitzer durch den Verkauf von Land an Juden bereichert hätten. Elisabeth Raiser ist trotz der fundierten Kritik weiterhin dafür, die Nakba-Ausstellung zu zeigen. Sie gibt aber zu, dass es auf vergangenen Kirchentagen durchaus anti-israelische Stimmungen gegeben habe. Diesen Vorwurf könne man der Nakba-Ausstellung aber gerade nicht machen.

Im Präsidium des Kirchentages ist der Beschluss aber nun einstimmig beschlossen worden. Die Nakba-Ausstellung darf nicht gezeigt werden. Für Andreas Zumach ist das die eindeutig falsche Entscheidung. Er selbst hat nun in einem weiteren offenen Brief seine Teilnahme am Kirchentag unter Protest abgesagt. Und er macht für das Verbot der Ausstellung gerade das Vorstandsmitglied der AG Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag Christian Staffa verantwortlich. Der beklagt, dass nun eine Art Kampagne gegen ihn laufen würde. Ihn erreichten seit Wochen Protestmails.

Aber er steht zum Beschluss des Kirchentagspräsidiums. Die Entscheidung, die Nakba-Ausstellung auf dem Markt der Möglichkeiten nicht zu zeigen, sei die richtige Entscheidung und zeige, dass es nach all den Jahren bei den Verantwortlichen endlich eine größere Sensibilisierung für das Thema gebe.