Seenotretter warnen vor mehr Toten auf dem Mittelmeer

Küstenwachenboot nähert sich Schlauchboot mit Flüchtlingen
© Fiona Alihosi/Sea-Watch/AP/dpa
Menschen versuchen im Oktober 2022, das Mittelmeer auf einem Schlauchboot nach Europa zu überqueren. Doch sie werden von einem Schiff der libyschen Küstenwache in internationalen Gewässern abgefangen.
Folgen italienischer Politik
Seenotretter warnen vor mehr Toten auf dem Mittelmeer
Der neue Kurs der italienischen Regierung gegenüber privaten Seenotrettern macht die Flucht über das Mittelmeer laut Hilfsorganisationen noch gefährlicher.

Ein Anfang Januar vom italienischen Präsidenten Sergio Mattarella unterzeichnetes Dekret werde die Rettungskapazitäten auf See reduzieren, kritisierten 20 Organisationen in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung. Den Preis dafür zahlten die Menschen, "die über das zentrale Mittelmeer fliehen müssen und in Seenot geraten".

So verlange die Regierung, dass die Schiffe fortan nach jeder Rettung sofort nach Italien fahren, erklärten die Organisationen, darunter "Ärzte ohne Grenzen", Sea-Watch und SOS Humanity. Verschärft werde das Dekret durch die neue Strategie der Regierung, den Schiffen weit entfernte Häfen zuzuweisen.

"Die zivilen Seenotrettungsorganisationen sind aufgrund eines fehlenden staatlichen Seenotrettungsprogramms bereits überlastet, und die geringere Präsenz von Rettungsschiffen wird unweigerlich dazu führen, dass mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken", warnten die Unterzeichner der Erklärung. In der Vergangenheit hatten die Schiffe in der Regel nach der ersten Rettung mehrere Tage im Einsatzgebiet verbracht und waren anschließend mit teils hunderten geretteten Geflüchteten und Migranten an Bord auf der Suche nach einem Hafen.

Die Organisationen kritisierten auch, dass das Dekret sie verpflichte, an Bord von Rettungsschiffen Daten von schutzsuchenden Überlebenden zu sammeln und sie mit den Behörden zu teilen. Es sei die Pflicht von Staaten, Asylgesuche zu registrieren und entsprechende Verfahren einzuleiten, hieß es. "Ein privates Schiff ist dafür nicht der geeignete Ort."

Seit ihrem Amtsantritt im Oktober hat die rechtsgerichtete Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni den Kurs gegen private Seenotretter verschärft. Immer wieder wagen Flüchtlinge und Migranten aus nordafrikanischen Ländern wie Libyen die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer. Im vergangenen Jahr sind dabei nach Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 2.000 Menschen ums Leben gekommen oder werden vermisst. Eine staatliche Rettungsmission gibt es nicht.