Geimpft, genesen, gesegnet

Gottesdienst in Zeiten der Corona-Pandemie: Menschen sitzen mit Masken und auf Abstand auf den Kirchenbänken
© epd-bild/Jens Schulze
Immer mehr Gemeinden entscheiden sich für Gottesdienste mit 3G- oder 2G-Regel.
3G- oder 2G-Regel?
Geimpft, genesen, gesegnet
Kirchengemeinden beschränken vermehrt Zugang für Ungeimpfte
Im Gegensatz zu Gastronomie, Kinos oder Theatern dürfen Kirchengemeinden nach wie vor darauf verzichten, den Impfstatus ihrer Besucher:innen zu kontrollieren. Dennoch entscheiden sich immer mehr Gemeinden für Gottesdienste unter 3G- oder 2G-Bedingungen.

„Geimpft, genesen, getestet“, wirbt die katholische Dom-Gemeinde in Worms seit einigen Wochen auf ihrer Facebook-Seite, „egal, welches G Du bist - nach dem Gottesdienst bist Du eins mehr: Gesegnet.“ Seit Oktober dürfen zu den Sonntagsgottesdiensten in Übereinstimmung mit den rheinland-pfälzischen Anti-Corona-Regeln noch maximal 25 Personen kommen, die weder geimpft noch genesen sind. Sie müssen dafür an der Kirchentür einen aktuellen negativen Schnelltest vorweisen. Im Gegenzug fallen Abstands- und Maskenpflicht in der größten Wormser Kirche weg.

In den Monaten zuvor sei das begrenzte Platzkontingent für die Sonntagsmessen immer wieder ausgebucht gewesen, begründet Dompropst Tobias Schäfer die neuen Gottesdienstregeln an seiner Kirche: „Eine Christmette mit 80 oder 100 Menschen im Dom und 500, die ich nach Hause schicken muss, möchte ich nicht noch einmal erleben.“

Viele evangelische und katholische Kirchengemeinden bundesweit ringen zurzeit damit, ob sie ihre Gottesdienste unter 3G- oder 2G-Bedingungen anbieten. Die Evangelische Kirche von Westfalen sprach sich schon im Sommer grundsätzlich für 3G-Gottesdienste aus. Anderenorts überwogen lange die Bedenken, ob Impfpass-Kontrollen mit den Prinzipien einer christlichen Gemeinschaft vereinbar sind - zumal die bisherigen Schutzmaßnahmen in den Gemeinden der großen Kirchen gut funktionierten und es dort so gut wie keine Corona-Ausbrüche gab.

Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hatte im September in einem Rundschreiben an alle Kirchengemeinden dringend davon abgeraten, nicht Geimpfte vom Gottesdienst auszuschließen. Auch die hessen-nassauische Landeskirche EKHN hält in ihren Corona-Regeln fest: „Der Krisenstab empfiehlt, eine Teilnahme am regulären Sonntagsgottesdienst für alle Personen unabhängig von ihrem Impfstatus möglich zu machen.“ Doch diese Maßgabe gilt nur für die auf hessischem Gebiet gelegenen Kirchengemeinden, nicht für die rheinland-pfälzischen.

Ursache dafür ist eine Besonderheit der rheinland-pfälzischen Anti-Corona-Verordnung. Die sieht grundsätzlich vor, dass bei Veranstaltungen nach der 2G-Regel auch eine gewisse Anzahl „nicht immunisierter“ Personen teilnehmen darf, aktuell bis zu 25 Personen. Und im Gegensatz zu Besuchern von Theatern oder Restaurants sind Kirchgänger dabei staatlicherseits privilegiert und nicht verpflichtet, einen negativen Test vorzulegen.

Mancherorts, etwa im Wormser Dom, verlangen Gemeinden den Negativ-Nachweis von Ungeimpften trotzdem. Und grundsätzlich steht es ihnen auch frei, Regeln festzulegen, die weit über die staatlich verordneten Maßnahmen hinausgehen. So fordert die evangelische Kirchengemeinde im hessischen Wöllstadt zusätzlich zu einem Impf-oder Genesenen-Zertifikat auch von allen Kirchgängern eine FFP2-Maske während des gesamten Gottesdienstes, um anwesende Kinder zu schützen.

Auslöser für die verschärften 2G-Regeln sei das Erntedankfest gewesen, bei dem erstmals seit langer Zeit wieder 100 Menschen in die Kirche kommen durften, erklärt Pfarrer Simba Burgdorf. „Wir haben in gleichem Maße überschwängliches Lob wie Kritik für unsere Entscheidung bekommen“, berichtet er. Gerade unter den älteren Gemeindemitgliedern gebe es einige, die sich jetzt wieder trauten, in den Gottesdienst zu kommen.

Andererseits habe es neben Vorwürfen, dem „Staat hörig zu sein“ oder Vergleichen mit den „Deutschen Christen“ aus der NS-Zeit auch einige Anrufe von Menschen gegeben, die sich aus medizinischen Gründen lieber nicht impfen lassen wollten und sich nun von ihrer Kirche verstoßen fühlten. „Ganz besonders hart ist die Situation an der Kirchentür, wenn wir Menschen, die ihren Nachweis vergessen haben - oder keinen haben - abweisen müssen“, sagt der Pfarrer. „Das löst großen Schmerz aus, auf beiden Seiten.“

Obwohl Bistümer und Landeskirchen keine Statistiken darüber führen, scheint sich der Trend hin zu 3G-, 2G- oder 2G-plus-Gottesdiensten aktuell zu beschleunigen. Und selbst Gemeinden, die noch zögern und in deren Kirchen an gewöhnlichen Sonntagen viel Platz ist, um Abstand zu halten, stehen vor der Gretchenfrage, wie sie Weihnachten feiern wollen, ohne Ungeimpfte abzuweisen.