Arbeitgeber drängen auf Mindestlohn in der Pflege

Arbeitgeber drängen auf Mindestlohn in der Pflege
Seltene Einigkeit: Arbeitgeber, Gewerkschaften und Politiker aller Couleur machen sich für die Einführung eines tariflichen Mindestlohns bei den Pflegeberufen stark. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat dagegen offenbar noch Prüfungsbedarf.

Über Parteigrenzen hinweg haben sich Spitzenpolitiker beim Ökumenischen Kirchentag in München für eine Aufwertung der Pflegeberufe ausgesprochen. Ein tariflicher Mindestlohn für die Pflegeberufe sei zu begrüßen, betonte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) am Freitag beim Kirchentags-Forum "Zentrum Familie". Die derzeitige politische Kontroverse darüber nütze niemandem.

Wie der FDP-Politiker forderten auch der SPD-Politiker Franz Müntefering und die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) eine "Tarifsicherheit" für diese Berufe. Müntefering sagte, die Pflegeberufe mit ihrer hohen Verantwortung müssten insgesamt attraktiver werden, wozu auch "ordentliche Löhne" dienten. Wenn mehr Männer in diesem Bereich beschäftigt wären, wäre die Vergütung "längst höher". Ebenso notwendig sei jedoch auch eine Vereinbarkeit von Berufstätigkeit mit der Pflege von Angehörigen in der Familie.

Rösler regt Zusatzversicherung an

Zur Finanzierung der Pflegekosten regte Minister Rösler an, über eine Zusatzversicherung nachzudenken. Diese Versicherung nach dem Prinzip der "Riester-Rente" könne jedoch nur eine Ergänzung des bisherigen Umlageverfahrens sein. Die Einbindung von privaten Versicherern ist Rösler zufolge keine Lösung.

Die CSU-Politikerin Stamm forderte, die Bürokratie im Pflegebereich abzubauen. Dazu gehöre auch eine Überprüfung des Medizinischen Dienstes, der die Bewertung von Alten- und Pflegeheimen vornimmt. Inzwischen sei der Medizinische Dienst vor allem damit beschäftigt, die von dem Pflegepersonal geforderten Dokumentationen zu überprüfen und könne sich so gar kein eigenes Bild von der Qualität der Einrichtung machen.

In der kontroversen Diskussion um die Pflege sollte nach den Worten Münteferings die "letzte Wegstrecke", Tod und Sterben, stärker in das Blickfeld rücken. Deshalb müsse die Hospizarbeit und die Palliativmedizin ausgebaut werden. Für die gesamte Gesellschaft sei notwendig, den Tod nicht aus dem öffentlichen Gespräch zu verdrängen, sondern eine "Abschiedskultur" zu schaffen.

Auch Arbeitgeber für Mindestlohn

Auch die Arbeitgeber in der Pflegebranche haben gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di an die Bundesregierung appelliert, den bereits vereinbarten Mindestlohn in der Altenpflege zum 1. Juli einzuführen. Der mühsam gefundene Kompromiss dürfe nicht an sachfremden Erwägungen der FDP scheitern, forderten sie am Freitag in Berlin. Sie erinnerten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) daran, dass sie vor der Bundestagswahl erklärt habe, der Mindestlohn werde kommen.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Pflegekommission hatte sich im März auf einen Mindestlohn geeinigt. Danach soll ab 1. Juli eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro in den alten und 7,50 Euro in den neuen Bundesländern gelten. Zum 1. Januar 2012 sowie zum 1. Juli 2013 erhöht sich dieser Mindestlohn um jeweils 25 Cent und sorgt bei den Arbeitsgebern für Planungssicherheit bis zum Jahr 2015. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) will Medienberichten zufolge den Mindestlohn nur bis Ende 2011 gelten lassen und dann auf den Prüfstand stellen.

"Es wäre ein Schlag ins Gesicht all jener Pflegekräfte, die für Hungerlöhne ihren schweren Beruf ausüben und deren Tätigkeit durch den Mindestlohn wenigstens etwas aufgewertet würde, wenn die Verweigerungshaltung der FDP erfolgreich wäre", heißt es in dem gemeinsamen Appell von Arbeitgebern und Gewerkschaft.

epd