Bonhoeffer als ökumenischen Märtyrer gewürdigt

Bonhoeffer als ökumenischen Märtyrer gewürdigt
Dass ein katholischer Bischof über einen evangelischen Märtyrer schreibt, ist nicht alltäglich. Doch Gerhard Ludwig Müller ist seit langem mit dem Werk Dietrich Bonhoeffers vertraut. Der heutige Regensburger Bischof wurde 1977 von Karl Lehmann über Bonhoeffers Theologie der Sakramente promoviert. Nun hat er ein neues Buch über den evangelischen Theologen, Pfarrer und Widerstandskämpfer vorgelegt - und am Dienstagabend in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg selbst vorgestellt.
05.05.2010
Von Jürgen Henkel

Der Band bietet eine hintergründige Einführung in Bonhoeffers Leben bis zum Martyrium im KZ von Flossenbürg am 9. April 1945 sowie in dessen Theologie. Müller zeigt Konvergenzen und Differenzen zwischen Dietrich Bonhoeffer und der katholischen Theologie auf und erschließt den evangelischen Theologen als ökumenische Märtyrergestalt, der die verbrecherische Nazi-Ideologie schon früh als wahrhaft antichristlich bekämpfte.

Zwei Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch: welchen Einfluss hatte die katholische Theologie auf das Denken und die Frömmigkeit Bonhoeffers und wie kann das Christentum in der modernen Welt bestehen? Vieles Überraschende an Bonhoeffer wird verständlich, wenn Müller dessen Aufenthalte in Barcelona, Rom, New York und London als prägend für die persönliche und theologische Entwicklung des evangelischen Theologen herausarbeitet. Als Mitglied der Bekennenden Kirche führte schließlich der Widerstand gegen das Nazi-Regime bereits 1936 zum Lehrverbot für die Universität. 1943 wurde er inhaftiert, 1945 im KZ Flossenbürg ermordet.

"Herausforderung für Christentum und Glauben"

Aus seiner Theologie heraus wird Bonhoeffer ideologiekritisch: "Indem er aus dem Ursprung des Christlichen denkt und handelt, deckt er den unüberbrückbaren Widerspruch von theologischer und ideologischer Weltsicht auf", schreibt Müller dazu. Sehr präzise zeichnet der Regensburger Bischof nach, wie Bonhoeffer mit theologischen Argumenten die Nazi-Ideologie verwirft.

Eine ohne Gott vermeintlich mündig gewordene Welt und das religionslos gewordene Christentum entlarve Bonhoeffer als "Selbstfixierung des Menschen" und erkenne dies als "Herausforderung für das Christentum und den Glauben", der er sich bis zum Tod gestellt hat. Müller unterstreicht in seinem Buch, dass die Nachfolge für Bonhoeffer auch den "Gedanken der Nachfolge im Leiden" beinhaltet und macht deutlich: "Glaube und Zivilcourage (…) sind für ihn keine hohlen Worte, sondern Koordinaten seiner Existenz."

Der vorliegende Band bietet eine ansprechend gestaltete, gut lesbare und inhaltlich gediegene Einführung zu Dietrich Bonhoeffer und seiner Theologie. Gerhard Ludwig Müller würdigt Bonhoeffer als ökumenischen Märtyrer und bietet eine für Laien wie Kenner, evangelische wie katholische Christen gleichermaßen anregende Lektüre. Bei der Präsentation des Buchs gedachten die Teilnehmer im Schweigen und Gebet des Märtyrers Dietrich Bonhoeffer. Zuvor beantwortete der Regensburger Bischof einige Fragen von evangelisch.de.

Interview: Bonhoeffers Offenheit für die Ökumene

evangelisch.de: Herr Bischof, warum beschäftigt sich ein katholischer Bischof und Theologe ausgerechnet mit Dietrich Bonhoeffer?

Müller: Dietrich Bonhoeffer hat mit seiner Theologie in schwieriger Zeit versucht, den Menschen die frohe Botschaft zu vermitteln. Dabei ging es ihm um eine Verinnerlichung der Beziehung des Menschen zu Gott. Die Betonung der existenziellen Bedeutung des Glaubens, der den Menschen unbedingt angeht, ist unter den geschichtlichen Vorbedingungen durch den nationalsozialistischen Terror von prägender Bedeutung.

evangelisch.de: Worin besteht die ökumenische Bedeutung von Bonhoeffers Theologie und seinem Martyrium?

Müller: Seine ökumenische Bedeutung liegt zum einen darin, dass er schon von Anfang an den Weg der Ökumene mitgegangen und mitgestaltet hat. Es ist das Verdienst dieser Generation von Theologen, an den uns verbindenden Elementen festzuhalten, um sich als Christen den gesellschaftlichen und politischen Meinungen und Systemen, wenn nötig, entgegenzustellen. Deshalb fasziniert sein Tod. Weil er unbeugsam, wie so viele andere Christen auch, die Botschaft Jesu gegen den zerstörerischen Wahn vertreten hat – bis zu seinem Tode.

evangelisch.de: Was können die Kirchen heute von Bonhoeffer lernen?

Müller: Sein unermüdliches Ringen um die Wahrheit, seine Offenheit für die Ökumene, seine Leidenschaft in der Verkündigung und sein wahrhaft vorbildliches Einstehen für den Glauben, sowie seine Gewissheit, in Gott geborgen zu sein.

Gerhard Ludwig Müller: Dietrich Bonhoeffer begegnen, Augsburg 2010. Sankt-Ulrich-Verlag, 160 Seiten, 12,90 Euro (ISBN 978-3-86744-131-5).

 

 

 

 

 

 

 


Dr. Jürgen Henkel, geboren 1970 in Bad Windsheim, ist Pfarrer, Journalist und Publizist. Von 2003 bis 2008 war er Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen (EAS) in Sibiu/Hermannstadt, seitdem ist er Gemeindepfarrer im oberfränkischen Erkersreuth.