TV-Show macht mutige Dichterin berühmt

TV-Show macht mutige Dichterin berühmt
Mit mutigen Gedichten gegen den Extremismus hat eine arabische Dichterin für Aufsehen gesorgt. In einer Fernsehshow trug sie ihre Zeilen vor - komplett verschleiert.
08.04.2010
Von Anne-Beatrice Clasmann

Abu Dhabi (dpa)- Hissa al-Hilal (43) verbirgt ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier, so wie die meisten Frauen in ihrer Heimat Saudi-Arabien. Deshalb kann niemand ihre Enttäuschung sehen, als nicht sie, sondern ein Dichter aus Kuwait an diesem Mittwochabend zum "Dichter für Millionen" gewählt wird. Sie selbst landet in der Endausscheidung des populären arabischen Lyrikwettbewerbs von "Abu Dhabi TV" auf dem dritten Platz. Doch obwohl sie nicht gewinnt, hat die Sendung die mutige Frau aus Saudi-Arabien weltbekannt gemacht.

Als sie in einer früheren Folge der Sendung ein Gedicht gegen fanatische Religionsgelehrte vortrug, die junge Männer zu Selbstmordattentaten anstacheln, tauchten in Islamistenforen im Internet Todesdrohungen auf. Die Journalistin ließ sich davon aber nicht einschüchtern und trug weiterhin Gedichte gegen "Rückschrittlichkeit" und Intoleranz vor.

Kein Blatt vor den Mund

Auch im Finale der Live-Sendung nimmt sie an diesem Abend kein Blatt vor den Mund. Sie fordert mehr Meinungsfreiheit und beschimpft ihre Gegner als "zischende Schlangen" und "bellende Hunde". Al-Hilal ist nicht entgangen, dass man sich im Westen gewundert hat, dass ausgerechnet eine komplett verschleierte Frau aus dem islamischen Königreich Saudi-Arabien mit einer Botschaft für Freiheit und Versöhnung an die Öffentlichkeit tritt.

Doch, was man in London oder Paris über sie denkt, ist ihr egal. "Die im Westen haben sich nur deshalb gewundert, weil sie einfach gar nichts über uns wissen", sagt sie mit einem Achselzucken. "Sie denken, eine Frau, die den Gesichtsschleier trägt, gehört automatisch zu den Extremisten". Den Schleier, der nur einen Sehschlitz frei lässt, trägt Al-Hilal aber, wie sie selbst sagt, gar nicht aus religiösen Gründen, "sondern weil ich aus einer konservativen Stammesgesellschaft komme, wo dies zu den Traditionen gehört".

Keine Liebesgedichte

Diese Traditionen verbieten es ihr auch, mit einem Liebesgedicht vor das Fernsehpublikum zu treten, so wie es einige ihrer männlichen Konkurrenten in der Sendung getan haben. "Bei den Männer geht das durch, aber wenn ich als Frau hier vor anderen Männern so ein Gedicht vortragen würde, dann käme das in der Gesellschaft aus der ich stamme, sicher nicht gut an", erklärt sie. Nach dem Rummel der vergangenen Wochen will sie jetzt erst einmal zwei Monate Urlaub machen und sich ausruhen. Die drei Millionen Dirham (rund 611 000 Euro) Preisgeld, die sie für den dritten Platz erhalten hat, will sie benutzen, um ihrer kranken Tochter eine gute ärztliche Behandlung zu verschaffen.

"Und dann werde ich ein Haus kaufen", sagt sie. Dann klemmt sich Hissa al-Hilal ihre kleine Handtasche unter den Arm, nimmt die goldene Trophäe - ein Netz aus arabischen Buchstaben - und verschwindet in den Kulissen, klein, resolut und schwarz wie ein Schatten.

dpa