Westerwelle spricht von "bewaffnetem Konflikt"

Westerwelle spricht von "bewaffnetem Konflikt"
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat für die Bundesregierung den deutschen Afghanistan-Einsatz erstmals als "bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts" eingestuft. "Ob uns das gefällt oder nicht, so ist die Lage", sagte er am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag.

"Diese rechtliche Qualifizierung der objektiven Einsatzsituation von ISAF hat Konsequenzen für die Handlungsbefugnisse der Soldaten, der Befehlsgebung und für die Beurteilung des Verhaltens von Soldaten in strafrechtlicher Hinsicht", fügte der Außenminister hinzu.

Bislang hatte die Bundesregierung eine genaue Qualifizierung des Einsatzes vermieden. Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte von einer kriegsähnlichen Situation gesprochen. Wie aus Koalitionskreisen verlautete, hat sich die Regierung in Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium jetzt auf die Bewertung als bewaffneter Konflikt verständigt.

"Ein einfaches "Weiter so" ist keine Alternative"

Westerwelle hat vor dem Bundestag für Zustimmung zur neuen neue Afghanistan-Strategie der Bundesregierung geworben. "Ein einfaches "Weiter so" ist keine Alternative. Ein einfaches Weggehen und Wegsehen ist es auch nicht", sagte er am Mittwoch in einer Regierungserklärung.

Der Schwerpunkt des Bundeswehreinsatzes werde künftig noch stärker auf der Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten liegen. Statt bisher 280 würden künftig 1.400 Soldaten dafür zuständig sein. Die Obergrenze für das Gesamt-Kontingent soll von 4.500 auf 5.350 erhöht worden.

Amnesty: "Große Lücken im Afghanistan-Konzept der Bundesregierung"

Das Bundeskabinett hatte das neue Mandat für die Bundeswehr am Dienstag beschlossen. Noch vor Ende des Monats soll der Bundestag darüber abstimmen. Die Verstärkung der Bundeswehrtruppe soll nur vorübergehend gelten. Ab Ende 2011 will die Bundesregierung die Verantwortung Schritt für Schritt an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben. "Wer die Übergabe der Verantwortung in den kommenden Jahren erreichen will, der muss heute seine Anstrengungen verstärken", sagte Westerwelle. Einen Termin für den vollständigen Abzug der Bundeswehr nannte der FDP-Chef nicht. Dies "wäre eine Ermutigung der Terroristen, also ein Fehler", sagte er.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte die Strategie der Bundesregierung. "Es klaffen noch große Lücken im Afghanistan-Konzept der Bundesregierung", sagte Monika Lüke, die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" (Mittwoch). "Die Bundesregierung will die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte stärken - leider kommt daneben der Aufbau der Justiz viel zu kurz." Das Gleiche gelte für den Gefängnissektor. Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte seien die Voraussetzung für Sicherheit in Afghanistan. "Von Rechtsstaatlichkeit ist im Konzept der Bundesregierung leider kaum die Rede. Hier muss nachgearbeitet werden", forderte Lüke.

Klein vor Kundus-Untersuchungsausschuss

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte erst am Dienstag bekräftigt, dass der Konflikt in Afghanistan das sei, "was man umgangssprachlich als Krieg bezeichnet". Notwendig sei es, endlich Rechtssicherheit zu schaffen, so dass die Soldaten nicht befürchten müssten, in Deutschland plötzlich vor dem Strafrichter zu stehen, wenn sie mandatsgemäß von ihrer Waffe Gebrauch machen müssten, sagte Guttenberg in Berlin. "Das ist absurd, schlichtweg absurd."

Nach der Debatte im Bundestag will der Kundus-Untersuchungsausschuss die ersten vier Zeugen vernehmen. Darunter ist auch Oberst Georg Klein, der am 4. September das Bombardement zweier Tanklaster befohlen hat, bei dem mindestens 142 Menschen getötet oder verletzt wurden. Da die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn prüft, kann Klein die Aussage verweigern. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass der Oberst zumindest selbst oder über seinen Anwalt eine Erklärung abgeben wird.

dpa