Arbeiten und nicht verzweifeln: Einblicke in George Grosz' Werk

Arbeiten und nicht verzweifeln: Einblicke in George Grosz' Werk
Die Zeitschriften tragen Titel wie "Die Pleite" oder "Blutiger Ernst". In einem von George Grosz und John Heartfield gestalteten Pamphlet für die letztere werben Schriftzüge wie "Gegen die Ausbeuter!!" oder "Hiebe durch die dickste Haut" in feuerroter Druckschrift für die satirische Wochenschrift. George Grosz gestaltete das Motiv für das erstmals 1919 herausgegebene Blatt: Einen die Axt schwingenden Bourgeois mit Zylinder und Frack, der auf den am Boden knienden Arbeiter einschlagen will.
23.01.2010
Von Sigrid Hoff

Mit rund 500 Exponaten gewährt die Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste erstmals einen Einblick in das umfassende George-Grosz-Archiv, das die Einrichtung 1994 mit der Übernahme des Nachlasses vervollständigen konnte. Es umfasst eine Fülle von Dokumenten und Fotografien. Darüber hinaus wird hier das gesamte druckgrafische Werk aufbewahrt.

Den Kern bilden Dokumente, die sich in einer erst 1984 aufgefundenen Kiste befanden. Sie wurden im Keller eines Hauses am Savignyplatz entdeckt, dem letzten Wohnsitz des Künstlers in Berlin: Rund 1.200 Briefe aus der Zeit zwischen 1917 bis 1932, zahlreiche Jugendzeichnungen sowie 23 Porträtstudien des Literaten Max Herrmann-Neisse. Darüber hinaus wurden mehr als 200 Skizzenbücher gefunden, die einen besonderen Schatz darstellen. George Grosz benutzte sie zeitlebens wie ein zeichnerisches Tagebuch.

"Grosz ist jemand, der zeitlos geblieben ist"

Mit der Ausstellung löst die Akademie ein altes Versprechen an die Erben ein: Nach der wissenschaftlichen Erschließung des Materials wird der Nachlass nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Akademie-Präsident Klaus Staeck freut sich über die Gelegenheit, in direkten Dialog mit seinem Vorbild zu treten: "Grosz ist jemand, der zeitlos geblieben ist." Bei manchen Zeichnungen könnte man glauben, sie kommentierten die gegenwärtige Bankenkrise. "Kaum jemand hat den Kapitalismus so scharf seziert und bloßgelegt wie Grosz. Das macht die Ausstellung zu einer Schau für die Gegenwart", betont Staeck.

Gleich der erste Saal versammelt Zeichnungen, die zu Ikonen des Grosz?schen Werks geworden sind, darunter die "Friedrichstraße" oder "Christus mit Gasmaske". Neben den mit spitzem Stift skizzierten oder in Tusche gestalteten gesellschaftskritischen Blättern berührt vor allem die weiche Studie für ein Porträt der Mutter von 1924.

Der folgende Raum simuliert mit Vitrinen, die wie Kisten aufgestapelt sind, die Situation eines Archivs. Die Exponate schlagen den Bogen von den Anfängen bis zum Spätwerk in den USA: Bereits als Zwölfjähriger beginnt George Grosz, Menschen und Situationen zu skizzieren und dabei Bildergeschichten nach Vorbild von Wilhelm Busch zu zeichnen.

Bildungsbürger und der dumme Michel

Seine Skizzenbücher begleiten ihn durchs Leben. Bereits als Jugendlicher hält Grosz seine Eindrücke von Straßenszenen oder Menschen fest. In den Jugendzeichnungen dominieren Typen wie der Dandy, der Bildungsbürger oder der "dumme deutsche Michel". Sie bilden den Fundus, aus dem der Künstler auch später schöpft.

Ab 1916 entwickelt Grosz gemeinsam mit John Heartfield die Fotomontage als wichtigste Technik des späteren "Dada" und schockiert das Publikum. Zwei Jahre später tritt er der KPD bei, agitatorische Plakate und Illustrationen für Zeitschriften dokumentieren seine Haltung. Doch eine Reise in die Sowjetunion 1922 desillusioniert den Künstler, er geht auf Abstand zur KP.

Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden sieben Mappen- und Sammelwerke, die Grosz zwischen 1917 und 1928 veröffentlichte. Beispiele aus "Ecce Homo" oder "Gott mit uns" zeigen, dass Grosz immer wieder die öffentliche Moral provozierte, was ihm mehrere Prozesse eintrug. Vor allem das Blatt "Maul halten und weiter dienen", Christus mit Gasmaske am Kreuz, erregte die Gemüter. Abschließend dokumentieren wenig bekannte Collagen aus Amerika, dass George Grosz seinen analytisch sezierenden Blick auch im Land seiner Träume nicht verlor. Dorthin war er bereits unmittelbar vor Hitlers Regierungsübernahme im Januar 1933 emigriert.

Im Jahr davor sollte Grosz eigentlich Mitglied der Berliner Akademie werden - dazu kam es aufgrund der politischen Situation aber nicht mehr. Nun ist er - fast 80 Jahre später - mit dieser Ausstellung an den Pariser Platz zurückgekehrt. Im Frühjahr 2011 soll das Archiv endlich seine Räume im neuen Haus der Akademie am Brandenburger Tor beziehen.

Öffnungszeiten: Die Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz ist vom 24. Januar bis 5. April dienstags bis sonntags von 11 bis 20 Uhr zu sehen.

epd