Vor dem Ja-Wort geht's in die "Straße der Bräute"

Vor dem Ja-Wort geht's in die "Straße der Bräute"
In der "Rua das Noivas", der "Straße der Bräute", in São Paulo dreht sich alles, wirklich alles um den für viele wichtigsten Tag im Leben: den Hochzeitstag. In einer rekordverdächtigen Ansammlung bieten mehr als 100 Geschäfte Heiratswilligen eine schier unendliche Auswahl von Kleidern und Anzügen, Schleiern, Schuhen und Strümpfen. In den Schaufenstern glitzern Kronen, Krönchen und Armreife für die Bräute, die sich schon Monate im Voraus auf den "Tag X" vorbereiten.
12.01.2010
Von Helmut Reuter

 "Heiraten ist ein Mechanismus, um Bedürfnisse zu kreieren", sagt Marcello schmunzelnd beim "Cafezinho", einem starken schwarzen Kaffee, den er in der Bar "Cafe Catetos" direkt gegenüber von seinem Geschäft trinkt. Dort verkauft er exquisite Herren-Garderobe auch aus eigener Herstellung für den Bräutigam. So eine Hochzeit mit bis zu 200 Gästen ist teuer. "Mit allem Drum und Dran kostet das den Preis eines Neuwagens. Für Paare mit weniger Geld wird's ein kleiner Fiat für 24.000 Reais (9.200 Euro), für etwas besser Betuchte ein Honda Civic für vielleicht 40.000 Reais (15.400)", rechnet Marcello vor.

Die Grenzen sind wie beim Auto nach oben offen und es kann ja auch ein Gebrauchtwagen sein. Auch Kleider und Anzüge müssen nicht gekauft, sondern können geliehen werden. Bei Marcello kostet ein schwarzer handgefertigter Leihanzug für ein paar Stunden schon mal 900 Reais.

Autoschilder mit rotem Herz und eigenem Namen

Seit Jahrzehnten kleiden sich die Ehewilligen in der Rua Caetano ein, deren Ruf als "Straße der Bräute" weit über São Paulo hinaus reicht. Dafür sorgt nicht zuletzt die eigene Web-Seite und das Hochglanz-Magazin "Rua São Paulo Caetano Noivas", das mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren in Brasilien zu kaufen ist. Die Zeitschrift enthält viel Werbung und gibt Ratschläge, etwa für die beliebte Strand-Hochzeit. "Dort sollte die Braut einen Mini-Rock und keinen langen Schleier tragen", lautet einer der Tipps.

Irgendwie muss das Brautpaar auch standesgemäß von der Kirche zum Festsaal chauffiert werden und so kommt auch Fabio Brisque auf seine Kosten. Er steht mit einem schwarzen restaurierten "Chevrolet Master de Luxe", Baujahr 1939, an der "Straße der Bräute" und hat auch eine Limousine im Angebot. "Vier Stunden, 600 Reais und am Samstag habe ich vier Hochzeiten", erzählt Fabio, der Schweizer Vorfahren hat, und bei dem das Paar auch Autoschilder mit rotem Herz und eigenem Namen stanzen lassen kann.

An einer Hochzeit verdienen viele

Der Heiratsmarkt in dem südamerikanischen Land ist gigantisch und er wächst. 2008 gaben sich in Brasilien 960.000 Paare das "Ja"-Wort - 4,5 Prozent mehr als 2007. In São Paulo gehen jährlich etwa 55.000 Paare den Bund fürs Leben ein. "Seien wir ehrlich: Jede Frau träumt doch von einer Hochzeit in Weiß", sagt Marcello. Um die zu finanzieren, verschulden sich viele Paare, die auch die Angebote für Zahlung in bis zu zehn Raten gern nutzen. Der Mai ist auch in Brasilien traditioneller Hochzeitsmonat, allerdings wird er mehr und mehr vom Dezember verdrängt, dem Sommer- und Ferienmonat.

Wem es in der ersten Reihe der Rua Caetano zu teuer ist, dem hilft João weiter. Er sitzt Tag für Tag auf einem wackligen Stuhl vor einem der wenigen Läden, die keine Hochzeitsartikel im Angebot haben, dafür aber eine bunte Mischung aus Hundefutter, Stroh und Haustierutensilien. "Es gibt viele Geschäfte in den Nebenstraßen, wo man Kleider und Anzüge in gleicher Qualität, aber viel billiger als hier auf der Rua das Noivas bekommt", versichert er. Sein Job ist es, Interessenten in Konkurrenzläden zu führen. Kauft der Kunde, kassiert João eine Provision. An einer Hochzeit verdienen eben viele. 

dpa