Kundus-Angriff: Druck auf Bundesregierung steigt

Kundus-Angriff: Druck auf Bundesregierung steigt
Neue Details über den Ablauf des Bombenangriffs Anfang September in Afghanistan mit bis zu 142 Toten setzen die schwarz-gelbe Bundesregierung weiter unter Erklärungsdruck.

Die Bundeswehr soll nach "Spiegel"-Informationen ursprünglich mehr Bombenabwürfe auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastzüge angefordert haben als schließlich geschehen. Die Grünen halten eine Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Afghanistan- Untersuchungsausschuss für unabdingbar. Die Union will auch den früheren Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vernehmen. Dieser schloss nicht aus, dass dem Auswärtigen Amt seinerzeit wichtige Informationen vorenthalten wurden.

"Frau Merkel wird auf jeden Fall vor dem Untersuchungsausschuss antreten müssen, um zu erklären, wie sie am 8. September eine Regierungserklärung abgeben kann, wo sie im Grunde genommen so getan hat, als wüsste sie nichts über zivile Tote", sagte Grünen- Fraktionschef Jürgen Trittin am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". 

Diskussion um Truppenaufstockung

Unterdessen ging die Diskussion über eine Aufstockung des deutschen Truppenkontingents in Afghanistan weiter. Die SPD forderte Merkel auf, rasch Klarheit über eine Erhöhung des Kontingents zu schaffen. Damit dürfe sie nicht bis zur Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar warten, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich. "Bis dahin kann Frau Merkel die Entscheidung nicht aussitzen." CSU-Chef Horst Seehofer zeigte "wenig Sympathie" für eine Aufstockung. Die militärische Präsenz müsse zunehmend an eine saubere Perspektive für ein Ende des militärischen Engagements gebunden sein, sagte er der "Bild"-Zeitung (Montag).

Bei dem von einem deutschen Oberst angeordneten Angriff vom 4. September waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Laut "Spiegel" hat der Fliegerleitoffizier von Oberst Georg Klein sechs Bombenabwürfe verlangt. Die Besatzung der US-Kampfjets vom Typ F-15 habe aber widersprochen, berichtet das Magazin unter Berufung auf Auszüge aus dem NATO-Abschlussbericht. Es seien nur zwei Bomben nötig. In einem früheren Bericht hieß es dagegen, die US-Piloten hätten stärkere Bomben einsetzen wollen. Zudem sollen die Piloten dem Bericht zufolge fünf warnende Tiefflüge vorgeschlagen haben. Der deutsche Fliegerleitoffizier habe aber verlangt, das Ziel sofort anzugreifen.

"Militärisch nicht angemessen"

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte am Donnerstag seine Bewertung des Luftangriffs korrigiert und das Bombardement im Gegensatz zu früher als "militärisch nicht angemessen" bezeichnet. Der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, sagte am Sonntag im Deutschlandfunk, diese Entscheidung sei vollständig begründet. Man müsse unterscheiden zwischen der persönlichen Lage dessen, der in der konkreten Einsatzsituation entscheiden müsse, und der objektiven Bewertung des Geschehenen.

Nach Angaben Steinmeiers hat die damalige Bundesregierung früh mit möglichen Opfern gerechnet. "Wir alle wussten, dass es viele Opfer gab", sagte der SPD-Politiker der "Welt am Sonntag". Er schließt nicht aus, dass dem Auswärtigen Amt wichtige Informationen zum Luftangriff vorenthalten wurden. Dies müsse der Untersuchungsausschuss genauso klären wie die Frage, was das Kanzleramt wann wusste, sagte er der Sonntagszeitung. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) drängte darauf, Steinmeier im Untersuchungsausschuss zu hören. Auch der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, verlangte Aufklärung von Steinmeier.

Grünen-Fraktionschef Trittin schließt die Einsetzung eines weiteren Untersuchungsausschusses nicht aus. Das sei möglich, aber nicht notwendig, wenn der Verteidigungsausschuss regelmäßig Öffentlichkeit herstellt, sagte er der Wochenzeitung "Das Parlament".

dpa