Der Staat will die Polizei besser beschützen

Der Staat will die Polizei besser beschützen
Halle, 26. September. Am Rande des Regionalliga-Spiels Hallescher FC gegen den 1. FC Magdeburg inszenieren 40 "Fans" eine Auseinandersetzung rivalisierender Fan-Gruppen. Doch der Feind steht für sie woanders, es ist der Staat.
03.12.2009
Von Georg Ismar und Oliver Pietschmann

Vor der Fußballpartie füllen sie Mülltonnen mit Pflastersteinen und Zaunlatten, um dann den Fan-Streit vorzutäuschen und Beamte gezielt in den Hinterhalt zu locken. 16 Polizisten werden zum Teil schwer verletzt, einer stellt Strafanzeige wegen versuchten Mordes. Sei es am 1. Mai in Berlin, bei Fußballspielen oder im Alltagseinsatz, die Autorität der Polizei wird immer seltener anerkannt. Nun wollen die Innenminister dem einen Riegel vorschieben.

[linkbox:nid=7850,7768;title=Weiteres Thema der Innenminister]

Bei der bis Freitag dauernden Innenministerkonferenz (IMK) in Bremen wird intensiv diskutiert, wie der Staat Polizisten besser schützen kann - doch es wird auch vor Schnellschüssen gewarnt. "Ich finde es falsch, in dieser Situation einfallslos danach zu rufen, Gesetze zu verschärfen", sagt der IMK-Vorsitzende, Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). "Es ist populär, mit schärferen Strafen zu reagieren. Geholfen hat es bisher selten etwas." Ein beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachschen (KFN) in Auftrag gegebenes Gutachten soll nun dokumentieren, warum, wo und wie Polizisten in den vergangenen Jahren Opfer von Gewalt geworden sind.

"Ungeheuerliche Respektlosigkeit"

Die Zahl der Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt hat in den vergangenen zehn Jahren nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) um 30 Prozent zugenommen - allein 2008 seien in Deutschland rund 28.000 Fälle registriert worden. "Es gibt eine Respektlosigkeit, das ist ungeheuerlich", sagt der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg. Man habe es mit einer neuen Form der Gewalt zu tun.

Auch Schwarz-Gelb nimmt sich nun des Problems an. Auf Seite 109 des Koalitionsvertrag von Union und FDP steht: "Polizeibeamte und andere Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, werden immer häufiger Ziel brutaler gewalttätiger Angriffe. Wir wollen ihren strafrechtlichen Schutz - insbesondere durch eine Neufassung des § 113 Abs. 2 StGB - verbessern." Dort ist bisher für den Fall brutaler Attacken, die eine Todesgefahr darstellen, eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen.

Die jetzigen Regelungen werden den Taten nicht mehr gerecht, meint der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU). Wenn man ein Polizeiauto zerstöre, drohe eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren - bei Gewalt gegen Polizisten aber meist weniger, das sei paradox. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) spricht sich für schärfere Strafen aus.

"Mit viel Intelligenz vorgegangen"

Wurde vor 40 Jahren Deutschland von linken Studenten als Polizeistaat gebrandmarkt und den Beamten bruales Vorgehen etwa bei Demonstrationen vorgeworfen, ist es heute so, dass die Polizei oft eher Opfer denn Täter ist. "Eine Beamtenbeleidigung wird heute kaum noch zu Protokoll genommen" heißt es im Bundesinnenministerium.

Seien es Rechts- oder Linksextremisten, Hooligans oder Migranten - die Polizei wird von vielen Seiten angefeindet. "Strategien werden genauestens geplant, um dem Feindbild Polizei zu schaden. Dabei wird mit viel Intelligenz vorgegangen. Diese Personen setzen sich intensiv mit der Polizeitaktik auseinander und schmieden ihre Pläne", sagte Dresdens Polizeidirektor Uwe Kilz mit Blick auf die Krawalle in Halle. Hinzu kommt oft übermäßiger Alkoholkonsum - hier will die IMK Einhalt gebieten, indem es in Regionalzügen und S-Bahnen künftig ein bundesweites Alkoholverbot geben soll.

"Die Jungs verstehen sich als Streetfighter"

Aber auch aus kulturellen Gründen werde die Polizei oft nicht ausreichend respektiert, heißt es immer wieder. Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, sagte in der "Süddeutschen Zeitung" jüngst: "Die Familien, die uns Probleme bereiten, kommen aus Gegenden, wo es eine Überlebensfrage ist, ob man seine Ziegen über den Winter kriegt. Und wie man sich vor marodierenden Banden schützt.. ..Schütze dich selbst, heißt es da", sagte er. "Die Jungs verstehen sich als Streetfighter." Das bekommt auch die Polizei bisweilen zu spüren.

Ganz in der Nähe, in Kreuzberg gab es mit die heftigsten Attacken auf Polizisten in diesem Jahr, am 1. Mai wurden 479 Beamte verletzt. Im Nachgang zeigt sich, dass schon jetzt drakonische Strafen möglich sind. So wurden etwa im Oktober zwei junge Männer, die einen Brandsatz geworfen hatten, zu je drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Ein Lagerarbeiter, der zwölf Bierflaschen auf Polizisten geworfen hatte, wurde für drei Jahre und vier Monate Gefängnis ins Gefängnis geschickt. Ob diese Abschreckung Früchte trägt, wird sich aber erst im Mai 2010 zeigen.

dpa