Vincent Kleemann
Einsamkeit
In Lindweiler hört endlich jemand zu!
Zu Melek Henzes Arbeit gehört es, Kaffee zu trinken. Wenn, so wie heute, die Sonne scheint, stellt sie pünktlich um neun zwei Holzhocker nach draußen und schaltet die Kaffeemaschine ein. Dann setzt sie sich auf den Marienberger Hof, einen Platz im Zentrum von Lindweiler, und lädt jeden Passanten zum Kaffee ein. Ein Nein akzeptiert sie erst, wenn es einen guten Grund gibt.
Einen guten Grund hat der alte Mann mit der Schiebermütze, der kurz nach zehn seinen Rollator über den Platz schiebt. "Guten Morgen, wollen Sie sich setzen?", ruft Henze ihm entgegen. Der Mann lehnt ab. Er sei spät dran, müsse schnell, so schnell es eben geht, zum Sparkassenbus, sonst könne er erst in einer Woche wieder Geld abheben. Dass der Bus in Lindweiler hält, hat Melek Henze im Rahmen des Lindweiler "Veedelsbeirats" mitorganisiert.
Seit 2021 ist sie Leiterin des Lindweiler Treffs, einer diakonischen Begegnungsstätte auf dem Marienberger Hof. "Andere Stadtteile sind ohne Auto kaum zu erreichen, Lindweiler liegt zwischen der A 57, der A 1 und einer Bahnlinie", sagt sie. Wer Geschäfte, Cafés oder Ärzte erreichen will, muss den Bus nehmen. Das dauert lange, und mit Rollator ist das Ein- und Umsteigen nicht leicht.