Die Deutschen spenden auch in der Krise

Die Deutschen spenden auch in der Krise
Zwischen drei und fünf Milliarden Euro spenden die Deutschen jedes Jahr. Daran hat sich auch in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert: Spendenwerbung hat die Summen nicht wesentlich in die Höhe getrieben, Wirtschaftskrise und Skandale ließen sie nicht wesentlich sinken.
19.10.2009
Von Isabel Fannrich-Lautenschläger

Wer spendet, bleibt dabei. In den vergangenen 15 Jahren lag der Anteil der Deutschen, die Geld für wohltätige Zwecke gaben, meist zwischen 37 und 45 Prozent, im Jahr 2008 waren es 42 Prozent, hat der Berliner Soziologe Eckhard Priller festgestellt.

Allerdings verhalten sich junge und alte Menschen sehr unterschiedlich. "Man spendet, was man hat", formulierte es Priller jüngst auf einer Tagung zum Thema "Warum spenden wir?" in Berlin. Junge Menschen geben vergleichsweise wenig Geld, gehen aber häufiger zum Blutspenden als ältere. Und sie erklärten sich eher bereit, im Todesfall ihre Organe zur Verfügung zu stellen. Die Älteren wiederum spendeten mehr Geld. Darum konkurrieren in Deutschland rund 600.000 gemeinnützige Vereine und 15.000 Stiftungen.

Die Palette der Motive ist breit

Spenden ist eine Handlung, für die keine Gegenleistung erwartet wird. Der eine will sein Gewissen beruhigen. Der andere kennt jemanden bei einer Hilfsorganisation. So mancher möchte sich solidarisch zeigen, andere bekamen selber schon einmal Hilfe. So breit die Palette der Motive, so vielfältig ist die Möglichkeit, andere am Eigentum teilhaben zu lassen: Eltern werfen zu klein gewordene Kindersachen in den Kleidercontainer. Kirchenbesucher lassen Münzen in den Klingelbeutel wandern, Schulklassen übernehmen eine Patenschaft in Afrika, Asien oder Lateinamerika.

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Das Geben ist sehr individuell und durch Biografie und Lebensumstände geprägt. Allerdings fördern bestimmte Umstände die Bereitschaft, sein Eigentum zu teilen, wie eine Studie der Leipziger Universität zeigt: Je ärmer das Land und je größer das Wissen über diesen Staat, desto mehr wollten die Studierenden den Einwohnern spenden. Geschieht eine Katastrophe gar im eigenen Land, dann fließt viel Geld. Je größer ihr Ausmaß, desto mehr wird gegeben. "Aber auch die Erziehung zum Spenden spielt eine wichtige Rolle", ergänzt die Kultursoziologin Veronika Andorfer.

Wer spendet, muss vertrauen. "Potenzielle Spender brauchen Informationen für ihre Entscheidung", fordert der Göttinger Wirtschaftswissenschaftler Jan Simon Busse. Rund 43 Prozent der Spender informieren sich laut einer Befragung vorab intensiv über die Organisation. Fast alle Spendenorganisationen stellen mittlerweile ihren Geschäftsbericht ins Internet. Mehr als 80 Prozent legten dort im Jahr 2008 auch die Bezahlung ihrer Mitarbeiter offen.

Bild in den Medien ist entscheidend

Die entscheidende Rolle kommt aber offenbar der Medienberichterstattung zu. Nach einer Naturkatastrophe lässt sie die Menschen zum Geldbeutel greifen. "Ein Zwölf-Sekunden-Bericht über eine Flutwelle bewirkt kaum etwas", stellt Harald Wenzel fest, Soziologe an der Berliner Freien Universität. "Erst wenn die Berichterstattung eine gewisse Tiefe erreicht, werden wir mitgenommen."

Der Zuschauer sieht die Fernsehbilder und entscheidet für sich, ob es sich um "legitime Opfer" handelt. "Überraschend ist das immer gleiche Medienritual", sagt Wenzel: Bildern der Zerstörung und des Leidens folgen Impressionen der Hilfeleistung und schließlich des Wiederaufbaus. Die Darstellung müsse eine logische Abfolge enthalten. "Sie darf keinen Riss zeigen", sagt Wenzel, denn: "Man muss mit seiner Spende ruhig schlafen können."

Einen anderen Weg gehen Initiativen wie die Internetplattform "betterplace.org". Seit bald zwei Jahren suchen und finden sich hier Spender und Projekte aus allen Teilen der Welt, fernab von Katastrophenschauplätzen. Die Projektverantwortlichen und Unterstützer können sich gegenseitig bewerten. "Das Internet schafft Liquidität", ist Mitgründerin Joana Beidenbach überzeugt. 63 Prozent der Spender auf "betterplace.org" sind unter 39 Jahre alt.

epd